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Die Welt ohne uns

Die Welt ohne uns

Titel: Die Welt ohne uns
Autoren: Alan Weisman
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wird vollkommen zwischen Kokospalmen und Mandelbäumen verschwunden sein. Würde mit ihr plötzlich alle menschliche Aktivität ersterben, könnten sich nach Salas Auffassung die Riffe der nördlichen Line Islands schneller als erwartet erholen und wieder eine so vielfältige Lebensgemeinschaft bilden wie in den letzten Jahrtausenden, bevor der Mensch mit Fischernetzen und Angelhaken auftauchte. (Und Ratten: wahrscheinlich die mitgeführte, sich selbst erneuernde Nahrungsquelle für die polynesischen Seefahrer, die sich nur mit Kanus und Courage bewaffnet auf die unendliche See hinauswagten.)
    »Ich denke, die Riffe würden sich trotz globaler Erwärmung binnen zweihundert Jahren erholen. Es wäre örtlich verschieden. An einigen Riffen gäbe es ein reichliches Vorkommen großer Raubfische. Andere wären mit Algen überzogen. Doch im Laufe der Zeit kämen die Seeigel zurück. Und die Fische. Und dann die Korallen.«
    Hoch wölben sich Salas dichte, dunkle Augenbrauen bei dieser Aussicht. »Kämen die Menschen in fünfhundert Jahren zurück, würden sie sich hüten, ins Meer zu springen, denn da würden zu viele hungrige Mäuler auf sie warten.«
    Jeremy Jackson, der die Sechzig schon überschritten hat, war der ökologische Doyen der Expedition. Die meisten anderen Teilnehmer sind wie Enric Sala zwischen dreißig und vierzig. Sie gehören einer Generation von Biologen und Zoologen an, die den Umweltschutz als Teil ihres Berufsbildes begreifen. Unvermeidlich begegnen sie bei ihrer Forschung Mitgeschöpfen, die von dem heute weltweit gefährlichsten Raubtier – dem Menschen – in ihrem Bestand bedroht sind. Wenn es noch fünfzig Jahre so weitergeht, das wissen sie, werden die Korallenriffe nicht mehr wiederzuerkennen sein. Die Einblicke, die sie hier in das natürliche Gleichgewicht des Kingman-Riffs und das gedeihliche Zusammenleben seiner Bewohner gewonnen haben, hat sie in ihrer Entschlossenheit bestärkt, das Gleichgewicht auch andernorts wiederherzustellen.
    Ein Palmendieb, das größte an Land lebende Krebstier, wackelt vorbei. Zwischen den Blättern des Mandelbaums über unseren Köpfen schimmert es schneeweiß: das frische Gefieder der Feenseeschwalbenküken. Sala nimmt seine Sonnenbrille ab und schüttelt den Kopf.
    »Ich bin fasziniert von der Fähigkeit des Lebens, sich überall anzusiedeln«, sagt er. »Wenn es Gelegenheit dazu erhält, richtet es sich an jedem denkbaren Ort ein. Eine Art, die so kreativ und möglicherweise auch intelligent wie die unsere ist, sollte in der Lage sein, überall für Gleichgewicht zu sorgen. Wir müssen natürlich noch viel lernen, aber ich habe uns noch nicht aufgegeben.«
    Zu seinen Füßen werden Tausende von winzigen, zitternden Muschelschalen von Einsiedlerkrebsen zu neuem Leben erweckt. »Doch selbst für den Fall, dass wir es nicht schaffen: Wenn sich der Planet vom Perm erholen konnte, wird er es auch von der Menschheit können.«
     
    Mit oder ohne überlebende Menschen wird auch das jüngste Massensterben des Planeten enden. So bestürzend die Rasanz des gegenwärtigen Artenverlusts auch ist, es handelt sich nicht um eine neue Perm-Katastrophe und auch nicht um einen von der Bahn abgekommenen Asteroiden. Der Planet hat immer noch seine Ozeane, zwar vom Menschen heimgesucht, und doch von grenzenloser Kreativität. Obwohl sie 100000 Jahre brauchen werden, um all den Kohlenstoff aufzunehmen, den wir aus der Erde geholt und in die Luft geblasen haben, werden sie ihn am Ende wieder in Muscheln, Korallen und andere Dinge verwandeln. »Am Genom gemessen«, meint der Mikrobiologe Forest Rohwer, »ist der Unterschied zwischen uns und den Korallen nur klein. Es gibt überzeugende molekulare Belege dafür, dass wir alle die gleiche Wurzel haben.«
    Noch in jüngerer Zeit tummelten sich in der Umgebung der Korallenriffe Zackenbarsche von fast 400 Kilo Gewicht, ließ sich der Pazifische Kabeljau in Körben fangen und filterten Austern die gesamte Wassermenge der Chesapeake Bay alle drei Tage. An den Küsten des Planeten drängten sich unabsehbare Mengen von Seekühen, Robben und Walrössern. Binnen zweihundert Jahren wurden dann die Korallenriffe abgetragen und die Seegrasbetten kahl geschabt, vor der Mündung des Mississippi bildete sich eine Todeszone von der Größe New Jerseys und die Kabeljaubestände des Planeten erlebten einen ungeheuren Einbruch.
    Doch trotz maschineller Überfischung, Suche der Fischschwärme per GPS, Nitrateinträgen und fortgesetztem Abschlachten
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