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Die weiße Schmuggler-Jacht

Die weiße Schmuggler-Jacht

Titel: Die weiße Schmuggler-Jacht
Autoren: Stefan Wolf
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hing er
freilich nicht lange nach. Mit zwei Fingern hackte er auf seiner
Reise-Schreibmaschine. Zwei Durchschläge hatte er zusätzlich eingespannt.
    Es wurde eine Art Rundbrief. An Gaby,
Klößchen’ und Karl. Daß er nicht mehr Tarzan, sondern jetzt Tim heiße, teilte
er mit. Auch, weshalb.
    Auf das Blatt für Gaby schrieb er dann
noch etliches mit dem Kugelschreiber. Aber das war wirklich nur für sie
bestimmt und ging keinen Dritten was an.
     
    *
     
    Schon seit drei Stunden hing Klößchen
vor dem Fernsehapparat. Das heißt, er lag. Schokolade hatte er neben sich
aufgestapelt. Da er über die Mattscheibe geistig versorgt wurde — bis zum
Zustand völliger Mattscheibe, mußte er auch fürs leibliche Wohl sorgen. Aber es
war zum Gähnen langweilig, was da geboten wurde. Interessant eigentlich nur die
Reklame-Einblendung von dem neuen Schoko-Pudding. Natürlich handelte es sich um
ein Produkt seines rührigen Papas, also um eine Neuheit aus der Sauerlichschen
Schokoladenfabrik.
    „Und ich bin der einzige, der das noch
nicht gekostet hat“, murmelte er ärgerlich.
    „Was sagst du, Willi?“
    Erna Sauerlich, seine Mutter, kam
herein. Sie war im letzten Monat noch schlanker, um nicht zu sagen, dünner
geworden. Was den Hals betraf, konnte sie bald mit einem Schwan wetteifern. Ins
Haar hatte sie sich einen Rosé-Schimmer färben lassen. Sie trug auch heute ein
Seidenkleid und überlegte schon seit Stunden, welchen Schmuck sie auf die
Urlaubsreise mitnehmen sollte.
    „Ich würde gern mal unseren neuen
Schokoladenpudding probieren“, sagte Klößchen.
    „Aber, Willi! Der Pudding ist bestimmt
ausgezeichnet. Sonst würde Papa ihn nicht herstellen. Aber er ist für die
Verbraucher gedacht. Nicht für uns. Wir ernähren uns ohne Zucker und ohne
Fleisch. Heute abend gibt es Spinatsuppe. Mein neues Rezept.“
    Klößchen schob seinen
Schokoladen-Stapel unter den Sessel. Nicht auszudenken, wenn seine Mutter ihn
beim Naschen erwischt hätte.
    „Spinatsuppe! Hört sich großartig an“,
murmelte er. „Da werden Papa und ich aber reinhauen.“
    Und anschließend, dachte er, schleichen
wir uns in den Keller, wo Schinken und Würste hängen. Ach, Mama! Wie gern würde
ich dich kosten lassen. Aber das wäre dein Nervenzusammenbruch.
    Sie trat neben ihn. Zärtlich strich sie
ihrem dicken Willi über den Kopf. Dann ließ sie sich auf dem Sessel nieder,
unter dem die Schokolade lag.
    „Freust du dich schon, Willi?“
    „Worauf?“
    „Na, auf unsere Reise.“
    „Ach so. Ja.“
    Übermorgen ging’s los. Wie jedes Jahr
flogen sie nach Marbella, der schicken Sommer-Oase an der spanischen
Sonnenküste. Toll war’s dort. Klößchen hatte schon mehrmals das Palasthotel
heimgesucht.
    „Begeistert klingt das aber nicht,
Willi.“
    „Naja. Ich bin’s gewöhnt, meine Freunde
um mich zu haben. Vor allem Tarzan. Dann ist immer was los. Es rauscht im
Karton. Er hat die richtige Nase für Abenteuer, wie du ja weißt. Man langweilt
sich nie. Wenn ich zwei Wochen am Swimmingpool rumliege, langweile ich mich
immer. Das Tollste, was mir da passieren kann, ist, daß ich einen Sonnenbrand
kriege. Aber als Urlaubserlebnis kann ich damit nicht protzen. Es besteht auch
wenig Hoffnung, daß Banditen im Palasthotel sind. Oder Haie vor der Küste. Oder
daß wenigstens ein Erdbeben stattfindet, mit kleinem Weltuntergang. Weshalb
soll ich mich also freuen? Nicht mal deine vorzügliche Spinatsuppe gibt’s dort.“
    „Aber Willi! Andere Jungs würden sich
riesig freuen. Wir sind im teuersten Hotel.“
    „Das macht’s ja so langweilig. Alles
vornehme Leute, die ihre Ruhe haben wollen. Die Kellner schleichen rum, lautlos
wie Gespenster. Daß sie da sind, merkt man nur daran, wie das Trinkgeld
weggeht. Lustig ist es nur nachts in den Bars. Aber da nehmt ihr mich ja nie
mit.“
    „Dafür bist du noch zu jung. Willi,
deine Einstellung entsetzt mich. Ich dachte, du wärst gern im Palasthotel.“
    „Nur, wenn Tarzan, Gaby und Karl dabei
sind. Am besten wäre natürlich, wenn wir vier am Strand zelten — und nachts mit
Skorpionen kämpfen.“
    „Aber Papa braucht Erholung. Denk bitte
auch daran.“
    „Klar!“ meinte er trübsinnig. „Mache
ich.“
    Am TV war der Ton abgestellt. Das Bild
lief noch. Mit der Fernbedienung schaltete Klößchen den Apparat aus.
    Er stellte sich auf die Füße und
meinte: „Ich bohre nochmal in die Stadt. Ins Kino. Da läuft jetzt ein neuer
Hollywood-Schinken. Tarzan und das goldene Krokodil. Mal sehen, ob der
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