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Die Weimarer Republik

Die Weimarer Republik

Titel: Die Weimarer Republik
Autoren: Gunther Mai
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Regierung stellte, gab Hitler grünes Licht für eine umfassende Mordaktion. Im ganzen Reich wurden SA-Führer, aber auch Vertreter der hinter Papen stehenden «konservativen Revolution» verhaftet, insgesamt 89. Im Zuge der Aktion wurden am 30. Juni 1934 Röhm und hohe SA-Führer, aber auch Gregor Strasser und Schleicher, die Exponenten der «Gewerkschaftsachse» von 1932, liquidiert. Das Ganze wurde am 3. Juli als «Staatsnotwehr» per Gesetz nachträglich legitimiert.
    Mit der Ermordung Röhms und anderer hoher SA-Führerwar der Reichswehr signalisiert worden, dass sie die Einrichtung einer konkurrierenden Partei-Armee nicht zu fürchten brauchte. (Das erfolgte erst mit dem Aufbau der Waffen-SS.) Mit der Ermordung Schleichers war ihr indirekt angedroht worden, dass sie keine eigenmächtigen Wege gehen durfte. Es war daher kein Problem, als Hindenburg im Sterben lag, dessen absehbares Ende ein weiterer Grund war, mit dem «Röhm-Putsch» für klare Verhältnisse zu sorgen, per Gesetz vom 1. August 1934 das Amt des Reichskanzlers und Reichspräsidenten zu vereinigen und noch am Todestag Hindenburgs, am 2. August, die Reichswehr auf den neuen Oberbefehlshaber Hitler zu vereidigen. Damit waren die letzten Reste des Weimarer Verfassungssystems beseitigt, die letzte potentielle Bedrohung für das Regime unter Kontrolle.
    Beseitigt war aber nicht nur die Verfassungsordnung, sondern auch das «alternative Weimar»: die Emanzipationsbewegung der Jungen und der Frauen, die sich herausbildende Pluralität in Wissenschaft, Kunst und Kultur. Auch sie wurden gleichgeschaltet: die einen in den Staatsorganisationen von Hitlerjugend und Bund Deutscher Mädel oder durch ein verordnetes Frauenbild, die anderen durch Reichskulturkammer, Zensur und Arierparagraphen. Beginnend mit der Verdrängung republikanischer Beamter und der Bücherverbrennung im April und Mai 1933, verschwand das «Undeutsche», das Linke und Progressive, das «Jüdische» und «Entartete» aus dem kulturellen Angebot und Diskurs. Auf Betreiben des Blut-und-Boden-Ideologen Alfred Rosenberg wurde die längst verfemte «entartete Kunst» 1937 ins Ausland verkauft. Unter den ca. 30.000 Exilanten rechneten etwa 5000 zur kulturellen Elite, darunter 30 aktuelle wie spätere Nobelpreisträger, von Thomas Mann bis Albert Einstein. Vertrieben wurden auch z.B. die vielen jüdischen Gründungsväter der deutschen akademischen Sozialwissenschaften («Frankfurter Schule»). Das bedeutete den Verlust eines enormen kulturellen Kapitals, vor allem aber den Abbruch eines Entwicklungspfades, der den Anschluss an den westeuropäischatlantischen Weg in die «industriegesellschaftliche Moderne» bedeutet hätte. Auf dem Gebiet der Ökonomie galt das nur bedingt.Ungeachtet aller Blut-und-Boden-Ideologie trug die Rüstungspolitik des Dritten Reiches maßgeblich zum weiteren Ausbau des industriellen Sektors bei. Zwar erfuhr die Landwirtschaft im Rahmen der Autarkiepolitik neue Bedeutung, doch keine durchgreifende Modernisierung. Die Liquidierungen infolge des Attentats vom 20. Juli 1944 und die Kriegsniederlage beschleunigten den Niedergang des Adels als politische Elite, der schon während des Dritten Reiches eingesetzt hatte. Und im Namen der Volksgemeinschaft wurden die Klassengegensätze unterdrückt, die sozial-moralischen Milieus in ihrer Prägewirkung weiter geschwächt, insbesondere das proletarische, sodass sie nach 1945 nicht wieder entstanden. Die Konsensorientierung der westdeutschen Gesellschaft war zweifellos nicht nur den Erfahrungen der Weimarer Republik und den Verstrickungen des Dritten Reiches geschuldet, sondern ebenso der katastrophalen Nachkriegssituation wie der ideologischen Konfrontation des Kalten Krieges. Aber sie verhalf der Bundesrepublik zu einer Stabilität, die der Weimarer Republik nicht vergönnt war.

Abkürzungsverzeichnis
ADGB
Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund
BVP
Bayerische Volkspartei
DAF
Deutsche Arbeitsfront
DDP
Deutsche Demokratische Partei
DVP
Deutsche Volkspartei
DNVP
Deutschnationale Volkspartei
DStP
Deutsche Staatspartei
KPD
Kommunistische Partei Deutschlands (M)
SPD
(Mehrheits-)Sozialdemokratische Partei Deutschlands
NSBO
Nationalsozialistische Betriebszellen-Organisation
NSDAP
Nationalsozialistische Arbeiterpartei Deutschlands
OHL
Oberste Heeresleitung
RDI
Reichsverband der Deutschen Industrie
RGO
Revolutionäre Gewerkschaftsopposition (KPD)
RLB
Reichslandbund
SA
Sturm-Abteilung (NSDAP)
USPD
Unabhängige Sozialdemokratische
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