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Die Wanderapothekerin 1-6

Die Wanderapothekerin 1-6

Titel: Die Wanderapothekerin 1-6
Autoren: Iny Lorentz
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mit dir?«
    Doch sein Bruder antwortete nicht, sondern stürzte unter dem Zug des Reffs rücklings zu Boden und blieb starr liegen. Es dauerte eine Weile, bis Alois Schneidt begriff, dass er Martin umgebracht hatte. Entsetzen packte ihn, und er sah sich hastig um. Doch er befand sich noch immer im Wald, und es war weit und breit niemand zu sehen.
    So schnell er konnte, schleifte er seinen Bruder hinter ein Gebüsch, versteckte dann dessen Reff und sein eigenes etwas abseits des Weges und setzte sich daneben ins Moos. Seine Gedanken wirbelten in einem wirren Tanz.
    »Ich habe meinen Bruder ermordet! Ich bin Kain! Kain! Kain!«, echote es in ihm. Gleichzeitig aber packte ihn die Angst, als Mörder entlarvt und hingerichtet zu werden.
    »In diesem Waldgebirge hat es immer Räuber gegeben und auch wilde Tiere, denen Martin zum Opfer gefallen sein kann. Nur darf ihn niemand so schnell finden«, hörte er sich selbst sagen.
    So nahe an dem Pfad, den zumeist Wanderer und Kiepenhändler benutzten, konnte der Leichnam auf keinen Fall liegen bleiben. Also musste er ihn weiter drinnen im Wald verstecken, und zwar rasch, bevor irgendjemand vorbeikam und es mitbekam. Obwohl ihm das Herz bis zum Hals schlug, raffte er sich auf und zog den Toten tiefer in den Wald hinein. Nach etwa zweihundert Schritten erreichte er eine mit Gebüsch bewachsene Senke und atmete auf. Wenn er die Leiche dort hineinwarf, würde sie sicher nicht so rasch gefunden.
    Alois wollte den Toten bereits über die Kante schieben, als er innehielt. Sein Bruder war ein sparsamer Mann und hatte gewiss einiges an Geld in der Tasche. Sollte er zulassen, dass derjenige, der den Leichnam fand, sich daran bereicherte? Außerdem würde niemand annehmen, Martin wäre von einem Räuber ermordet worden, wenn er sein Geld noch bei sich hatte.
    »Da ist es schon besser, wenn ich es an mich nehme«, sagte Alois sich und erschrak vor seiner eigenen Stimme.
    Er riss sich zusammen und durchsuchte die Kleidung des Toten. Die Börse fand er rasch, aber sie kam ihm sehr schmal vor. Daher zog er ihn bis auf die Haut aus und wurde belohnt, als er einen weitaus schwereren Beutel unter dem Hemd seines Bruders fand. Er warf einen kurzen Blick hinein und atmete trotz seiner Anspannung auf. Darin befand sich genug Geld, um seine dringendsten Schulden in Königsee und Rudolstadt bezahlen zu können. An die Familie des Bruders, der dieses Geld eigentlich gehörte, verschwendete er keinen Gedanken. Die besaß schließlich noch den Schatz.
    »Ich muss die Schwägerin dazu bringen, mir das restliche Gold auszuhändigen«, murmelte er und begriff im selben Augenblick, dass dies nicht einfach sein würde. Johanna hörte fast immer auf ihren ältesten Sohn, und mit dem verstand er sich nicht besonders gut.
    »Gerold wird mir das Gold geradewegs abschlagen. Verdammt! Kaum hat man einen Stein aus dem Weg geräumt, sieht man schon den nächsten vor sich«, schimpfte Alois Schneidt und rollte den Leichnam seines Bruders in die Senke.
    Er schüttelte sich, als wolle er alle Schuld von sich abstreifen, kehrte zu den Reffs zurück und räumte die Reste der teureren Salben und Elixiere aus Martins Traggestell in sein eigenes. Die Heilmittel würde er auf dem Markt in Gernsbach gut verkaufen können. Das andere Reff trug er zu der Senke und warf es zu dem Toten hinab. Dann zupfte er seine Kleidung so gemütlich zurecht, als habe er ein gutes Werk vollbracht, las die letzten Blätter aus seinem Haar und kehrte zurück zu dem Pfad, den er nehmen musste, um nach Gernsbach zu kommen.
    Unterwegs sah er den Hut seines Bruders auf dem Moos liegen. Da er nicht noch einmal die Senke aufsuchen wollte, schleuderte er ihn tief in den Wald hinein. Mittlerweile hatte er seine Ruhe wiedergefunden, so dass er sein Reff auf den Rücken nehmen und weiterwandern konnte. Dabei dachte er an das Regenbogenschüsselchen in seiner Tasche und überlegte, wie er das Gold seines Bruders in die Hand bekommen konnte.
    Einfach würde es nicht werden, das war ihm klar. Da er mit dem Geld des Bruders seine dringendsten Schulden bezahlen konnte, hatte er jedoch Zeit, sich einen Plan zurechtzulegen. Im nächsten Jahr würde Gerold mit Sicherheit die Strecke seines Vaters übernehmen, und falls seine Schwägerin bis dahin nicht auf sein Ansinnen eingegangen war, würde er unterwegs mit seinem Neffen reden. Sollte dieser auf seinen Vorschlag eingehen, war es gut. Wenn nicht …
    Bei dem Gedanken blickte Alois Schneidt in die Richtung, in
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