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Die wahre Lehre - nach Mickymaus

Die wahre Lehre - nach Mickymaus

Titel: Die wahre Lehre - nach Mickymaus
Autoren: Wolfgang Jeschke
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war alt. Nun hatten sich meine ärgsten Befürchtungen bestätigt. Maknas Chorhemd funktionierte nicht. Arain starb. Aber was war mit dem ›Buch‹, von dem Mera gesprochen hatte? Wenn es Hald hätte retten können, dann konnte es doch auch Arain retten.
    »Das Buch Maknas? Was ist das?« Meine Worte durchbrachen das Schweigen.
    Arain trat vor das Feuer, senkte den Kopf und schloß die Augen, als wollte sie einen Teil der Welt ausblenden. »Wir wissen zu wenig über das Buch, um schon darüber zu sprechen.«
    Aber Mera, vom Alkohol störrisch, knurrte: »Du irrst dich, meine Schwester. Du irrst dich.«
    »Bitte, Mera. Wir sind noch nicht sicher.«
    Mera erhob sich vom Stuhl und ging schwankend zu ihr. »Ich bin keine Göttin, Arain, ich bin eine Frau mit einer Armee von Sterblichen, die bluten und sterben. Unsere Feinde sind uns fünf zu eins überlegen. Willst du warten, bis die Nupaskans den Tempel einebnen, weil sie glauben, uns damit eine nicht existierende Kraft zu nehmen? Willst du warten, bis Radna auf das Land losgelassen wird und alle Menschen am Fluß sterben?«
    »Warum sollten die Nupaskans die Geschichten in einem alten Buch fürchten, Worte, die von der Hohepriesterin des Tempels der Feinde ausgelegt werden? Es ist nicht so einfach, wie du glaubst, Mera. Der Wein hat dich dumm gemacht«, schloß Arain scharf.
    Ich verfolgte diesen zornigen Wortwechsel verwirrt. Welche schreckliche Wahrheit barg Maknas Buch? Ich vermochte es nicht zu erraten. Was auch immer das Geheimnis war, meine Schwestern standen sich reglos gegenüber, in ihrem Denken entzweit, wie ich sie noch nie erlebt hatte.
    In ihrem trunkenen Zorn forderte Mera Arain noch einmal heraus. »Es ist eine Schande, Oberin, nach allem, was du aufs Spiel gesetzt hast. Eine Schande, herauszufinden, daß Makna nichts weiter war als ein Vasall und die Ahnen ein Volk von Narren!«
    Kein Pfeil hätte Arain tiefer treffen können als Meras bittere Worte. Ich sah, wie sie die Fäuste ballte und wie die Adern an ihrem Hals schwollen, ich sah den Augenblick, in dem die Leidenschaft sie überwältigte. Mera hatte es auch bemerkt, aber sie war vom Wein benommen und konnte sich nicht wehren. Arain schlug sie unter das Kinn; der Schlag kam von unten, so daß Meras Kopf zurückgeworfen wurde. Sie stürzte auf den Steinboden und blieb reglos liegen.
    Arain hielt sich am Tisch fest. Ihre Hände zitterten. Ihr Gesicht war weiß wie Kalk. Ihr Atem beschleunigte sich, und sie hustete und schüttelte sich. Dann stolperte sie ohne ein weiteres Wort aus dem Zimmer. Ich hörte ein Pferd zum Tempel davongaloppieren.
    Als Mera am nächsten Morgen erwachte, wußte sie nicht mehr genau, was geschehen war. Meine Gefühle zu Arain waren verwirrt. Ich verstand ihren Zorn, ich hielt ihn sogar für berechtigt. Aber wenn ich Mera betrachtete, ihren blau angelaufenen Kiefer und ihre geschwollene Wange und die dicke Zunge, dann wurde ich wütend auf Arain. Sie hatte nicht geweint. Sie hatte nicht gesagt, daß es ihr leid tat.
    Dennoch, als ich Mera die Ereignisse dieses Abends berichtet hatte, sagte sie, daß ich meine Wut beherrschen sollte, denn wenn es je eine Zeit gegeben hatte, in der wir drei aufeinander angewiesen waren, dann wäre es diese. Denn was sie über die Nupaskans gesagt hatte, war wahr. Sie hatten eine viel größere Armee als wir ausgehoben, und ihr Ziel war es, den Tempel von Handred zu zerstören.
    »Weil ich Arain liebe, will ich einen Kompromiß eingehen«, sagte Mera. »Ich will das Geheimnis des Buches noch ein wenig hüten, dich ausgenommen, Kirth.«
    Dann enthüllte sie mir mit schwerer Zunge die Geschichte von Maknas Buch.
    Arain hatte es in einem kleinen Anbau des Tempels zwischen den verwunschenen Hüllen uralter Geräte gefunden. Die Tür des Gebäudes war von Makna versiegelt worden, als sich der Lauf des Umbya verändert hatte; ohne Arains Wagemut wäre das Buch nie entdeckt worden.
    Es ist kein gewöhnliches Buch aus Papier, denn dann wäre es wegen seines großen Alters schon lange zu Staub zerfallen. Es besteht aus einem geheimnisvollen Metall, das nicht rostet. Es ist zu dünnen Platten gepreßt und mit einem unbekannten Stift beschriftet. Seltsam sind diese Worte, die in der Sprache der Alten geschrieben sind. Seltsamer noch ist die Geschichte, die sie erzählen, verworren und voller Namen, die uns nichts bedeuten.
    Meine Schwestern hatten die Entschlüsselung des Buches noch nicht abgeschlossen. Die Übersetzung war schwierig, denn einige Seiten
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