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Die Vogelkoenigin

Titel: Die Vogelkoenigin
Autoren: Susan Schwartz
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John Wayne ungefähr sechsmal gesehen, und ebenso oft Rio Bravo. In beiden Filmen spielte dieses mexikanische Instrumentalstück eine tragende Rolle. Deguello bedeutete in etwa »durchschnittene Kehle«, und Laura fühlte sich nicht weit davon entfernt, dass das Leben aus ihr floss. Noch behielt sie es in sich, aber die Frage war, wie lange.
    Sie wollte sich nicht ausmalen, was mit denen unten geschah, wenn sie der bösartigen Strahlung nichts entgegenzusetzen hatten. Dass überhaupt der Schutzbann so mühelos hatte durchschlagen werden können bewies, dass die Elfen hier an ihre Grenzen stießen.
    Das ist also die magische Version von Radioaktivität.
    Laura wischte sich erneut übers Gesicht und schluckte krampfhaft. Sie hätte Wasser mit heraufnehmen sollen. Doch dann wurde ihr Blick gebannt, und sie vergaß alles um sich, auch ihr eigenes Leid.

    Plötzlich wallte oben Nebel oben auf, aber von ganz anderer Art als die pulverisierte Schwärze. Ein Nebel, wie man ihn in London entlang der Themse kannte und wie er über einen englischen Sumpf gekrochen kam, grau und kalt und nahezu undurchdringlich. Ein echter Fog einer alten Hammer -Produktion, der Albträume gebar. Manchmal war Dracula daraus hervorgetreten, manchmal waren es mörderische Rachegeister gewesen. Nicht umsonst waren die keltischen Mythen voll mit Schrecken, die der Nebel gebar.
    Und hier waren es Seelen.
    Laura hatte diesen Nebel schon erlebt; sie wusste daher augenblicklich, was sein Aufkommen zu bedeuten hatte, und trotz des Fiebers spürte sie eine eiskalte Hand nach ihrem Herzen greifen.
    In dem Nebel dort oben fristeten die gefangenen Seelen ihr freudloses Dasein, allen voran Elias Fisher, der Unglückskapitän, der den Absturz nur um wenige Tage überlebt hatte. Laura hatte in ihm einen väterlichen Freund gefunden, der sie jedoch nach dem »Wiedersehen« auf der schwarzen Galeone nicht mehr erkannte. Es war zweifellos seine Seele, denn sie trug seine Gestalt, aber sie hatte alle Erinnerungen verloren. Und sie war verdorben worden, angriffslustig und böse. Eine geschundene, gefolterte und gequälte Seele, die Laura nunmehr als Feind betrachten musste.
    Der graue Nebel, beinahe zum Schneiden dick, nahm das gesamte Vordeck ein, und Laura sah Seelenhüllen sich darin als dunklere Konturen abzeichnen, wie sie hin und her schwankten, sich bewegten, zum Rand waberten und wieder zurück.
    Laura wollte die anderen warnen, doch sie brachte keinen Ton hervor. Ihr Entsetzen wuchs mit jeder neuen Seele, die sich im Nebel abbildete. Immer mehr wurden es, und sie kletterten über die Reling zum Galion, schwebten darüber hinaus, bis zu der Position, wo die Galionsfigur abgeschnitten worden war!
    Der Seelenfluss schien kein Ende zu nehmen, die einzelnen Konturen waren kaum mehr auszumachen und voneinander zu unterscheiden, und sie wurden zusammengepresst und aneinandergedrängt. Es sah aus, als würden sie brennen, denn graue Nebelflammen loderten an ihren Konturen.
    Oh mein Gott, dachte Laura, deshalb hat er die Galionsfigur abgeschnitten. Sie war ihm hinderlich bei seinen teuflischen Plänen!
    Sie konnte nichts tun außer zusehen. Sie bekam am Rande mit, wie die Elfen unten in Panik gerieten, als sie zu begreifen schienen, was da auf sie zukam. Laura erfasste selbst pures Grauen. Die Seelen verbanden und vermischten sich aufgrund des dichten Gedränges mehr und mehr zu einem undurchschaubaren Gemenge, zusammengesetzt aus grotesken Zerrbildern.

    »Andreas!«, flüsterte Aswig, der Schiffsjunge, der für Barend Fokkes Bedienung zuständig war. Er kannte wahrscheinlich mehr Geheimnisse als jeder andere an Bord, selbst als der Steuermann, aber er konnte wegen eines Schweigebanns nicht über sie reden.
    Aswig hätte beinahe Freunde gehabt, Sandra und Luca aus der Menschenwelt, die als Gefangene an Bord verschleppt worden waren. Doch sie waren abgehauen, ohne ihn. Und dann kam diese Seele, Andreas, die sich an alles erinnerte und die ebenfalls aus der Menschenwelt stammte. Hin und her schwankend zwischen Angst und Hoffnung, hatte Aswig die Seele verraten. Andreas hatte grausame Qualen durchstehen müssen.
    Aber er hatte Aswig verziehen. Obwohl er keinen Grund dazu hatte und obwohl vermutlich niemand auf dem Schiff oder sonst wo im Reich dem Jungen verziehen hätte.
    »Andreas, bist du hier irgendwo? Melde dich doch!«
    Statt einer Antwort hörte er ein fürchterliches Klappern und folgte ihm. Die meisten Matrosen waren mit dem Angriff auf den Feind
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