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Die vierte Hand

Die vierte Hand

Titel: Die vierte Hand
Autoren: John Irving
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auch den vorgesehenen Schlagmann. Bei dem Versuch, sich im Auto einzuschließen, hatte dessen Frau ihm mit der Wagentür die Hand eingeklemmt - wobei die zweite Grundphalange und der dritte Mittelhandknochen am stärksten in Mitleidenschaft gezogen wurden. Erstaunlich viele Verletzungen von Sportstars ergaben sich außerhalb des Spielfeldes, des Platzes oder der Eisfläche - wie zum Beispiel bei dem inzwischen nicht mehr aktiven Torwart der Boston Bruins, der sich das Querband der linken Hand einriß, indem er ein Weinglas zu kräftig gegen seinen Ehering drückte. Und da war der häufig mit Strafen belegte Linebacker der New England Patriots, der sich bei dem Versuch, mit einem Schweizer Armeemesser eine Auster zu öffnen, eine Fingerarterie und mehrere Fingernerven durchtrennte. Sie waren risikobereit - sie neigten stark zu Unfällen -, aber sie waren berühmt. Eine Zeitlang bewunderte Dr. Zajac sie; ihre signierten Fotos, die körperliche Überlegenheit ausstrahlten, schauten von den Wänden seines Behandlungsraums herab.
    Doch selbst die Sportunfälle der Sportstars waren häufig unnötig, wie etwa bei dem Center der Boston Celtics, der einen Rückwärts-Slam-Dunk versuchte, nachdem die Uhr schon abgelaufen war. Er verlor einfach die Kontrolle über den Ball und machte sich am Korbrand die palmare Faszie kaputt.
    Egal - Dr. Zajac liebte sie alle. Und nicht nur die Sportler. Rocksänger neigten offenbar zu zweierlei Arten von Hotelzimmerverletzungen. An vorderster Stelle stand dabei das, was Zajac als »Zimmerservice-Koller« kategorisierte; er führte zu Stichwunden, Verbrühungen durch Tee und Kaffee und einer Unmenge ungeplanter Konfrontationen mit toten Gegenständen. Diesen dichtauf folgten die unzähligen Mißgeschicke auf feuchten Badezimmerböden, zu denen nicht nur Rock-, sondern auch Filmstars tendierten.
    Filmstars hatten außerdem Unfälle in Restaurants und zwar hauptsächlich beim Verlassen derselben. Vom Standpunkt eines Handchirurgen aus war es besser, einen Fotografen als dessen Kamera zu schlagen. Im Interesse der Hand war jeder Ausdruck von Feindseligkeit gegenüber einem Metall-, Glas-, Holz-, Stein- oder Plastikgegenstand ein Fehler. Doch bei Prominenten war Gewalttätigkeit gegen Dinge die Hauptursache der Verletzungen, die der Doktor zu Gesicht bekam. Wenn Dr. Zajac die sanftmütigen Gesichter seiner renommierten Patienten Revue passieren ließ, dann in der Erkenntnis, daß ihr Erfolg und ihre zur Schau gestellte Zufriedenheit nur Masken waren. All dies mag Zajac beschäftigt haben, doch seine Kollegen bei Schatzman, Gingeleskie, Mengerink & Partner beschäftigen sich mit ihm. Zwar nannten sie Dr. Zajac nie ins Gesicht hinein prominentengeil, doch sie wußten um seine Schwäche und fühlten sich ihm überlegen - allerdings nur in dieser Hinsicht. Als Chirurg stach er sie alle aus, und auch das wußten sie und ärgerten sich darüber.
    Wenn man sich bei Schatzman, Gingeleskie, Mengerink & Partner jeden Kommentars zu Zajacs Prominentengeilheit enthielt, so erlaubte man sich immerhin, den Superstar-Kollegen wegen seiner Magerkeit zu ermahnen. Man glaubte allgemein, Zajacs Ehe sei gescheitert, weil er dünner als seine Frau geworden war, doch bei Schatzman, Gingeleskie, Mengerink & Partner hatte niemand Dr. Zajac zu einer vernünftigen Ernährungsweise bewegen und so seine Ehe retten können; um so unwahrscheinlicher, daß sie ihn nun, nach seiner Scheidung, zu einer Mastkur würden überreden können.
    Es war hauptsächlich seine Liebe zu Vögeln, die Zajacs Nachbarn wahnsinnig machte. Aus Gründen, die auch den Ornithologen der Gegend verborgen blieben, war Dr. Zajac der Überzeugung, daß die Fülle von Hundekot in Greater Boston sich schädlich auf die Vogelwelt der Stadt auswirkte.
    Es gab ein Bild von Zajac, an dem sich alle seine Kollegen weideten, obwohl nur einer von ihnen es tatsächlich gesehen hatte. An einem Sonntagmorgen suchte der berühmte Handchirurg - in kniehohen Stiefeln, seinem roten Flanellbademantel und einer grotesken New-England-Patriots-Skimütze, in der einen Hand eine braune Papiertüte, in der anderen einen Lacrosseschläger in Kindergröße - seinen verschneiten Garten in der Brattle Street nach Hundehaufen ab. Dr. Zajac hatte selbst zwar keinen Hund, aber er hatte mehrere rücksichtslose Nachbarn, und die Brattle Street war eine der beliebtesten Gassiführrouten von Cambridge.
    Der Lacrosseschläger war für Zajacs einziges Kind bestimmt gewesen, einen
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