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Die Versuchung der Hoffnung

Die Versuchung der Hoffnung

Titel: Die Versuchung der Hoffnung
Autoren: Hannah Kaiser
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irgendeiner Rockband. Letztes Jahr hat er deshalb sein Studium abgebrochen.
    „Alles okay bei dir?“ Besorgt mustert er mich und ich nicke nur.
    „Aber bei ihm nicht.“ Ich mache eine Bewegung in Richtung des Typen im Schnee, der sich immer noch krümmt und leise wimmert.
    „Die dämliche Schlampe hat mir in die Eier getreten“, presst der Idiot jetzt zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
    Wenn er schon wieder in der Lage ist zu schimpfen, hätte ich wohl lieber ein bisschen fester zutreten sollen!
    „Erstens habe ich nicht getreten, sondern lediglich mein Knie hochgezogen. Zweitens bist du ein so erbärmlicher Feigling, dass es mich wundert, dass du überhaupt Eier hast …“ Tief hole ich Luft, um weiterschimpfen zu können, werde dann aber von Jonathans amüsiertem Lachen abgelenkt und mein Blick wandert zu ihm. Im schwachen Licht der Straßenlaterne wirken seine Augen so dunkel, dass sie beinah schwarz aussehen und ich starre ihn fasziniert an.
    „Und drittens?“
    „Wie bitte?“, frage ich wie ein debiler Volltrottel und starre noch immer.
    „In deiner Aufzählung … wenn man „Erstens“ und „Zweitens“ sagt, dann folgt in der Regel auch noch ein „Drittens“.“
    „Drittens war selbst mein Knie in seinen Eier für meinen Geschmack noch zu viel Körperkontakt“, beeile ich mich zu sagen, um meine Würde zu bewahren.
    „Amen, Schwester“, schließt John ganz trocken.
    Mein Opfer liegt immer noch am Boden und krümmt sich und langsam drängt sich mir der Eindruck auf, dass er es ein bisschen übertreibt.
    „Du solltest mal lieber reingehen. Deine Kumpels vermissen dich bestimmt schon und du willst doch sicher nicht, dass sie mitbekommen, dass du dich von einem Mädchen, das schätzungsweise die Hälfte von dir wiegt, hast fertigmachen lassen!“ John steht so vor ihm, als könne er sich kaum zurückhalten, ihn unsanft mit der Fußspitze anzustupsen, was tatsächlich Wirkung zeigt, denn unter theatralischem Stöhnen richtet sich der Typ nun auf, um sich zurück in Richtung Bar zu schleppen.
    Als er weg ist, atme ich erleichtert auf. Der Schreck sitzt mir immer noch ganz schön in den Gliedern. Von solchen Situationen hatte ich bisher nur theoretisch Ahnung und ich weiß auch nicht, wie weit er tatsächlich gegangen wäre. Vermutlich war das alles vergleichsweise harmlos, aber dennoch ist es eine Erfahrung, auf die ich gut und gerne hätte verzichten können. Ich spüre, dass meine Beine anfangen zu zittern.
    Du bist ein Weichei, Hope! Es ist doch gar nichts passiert. Und vorbei ist es jetzt auch.
    „Ist wirklich alles okay bei dir?“ John sieht mich besorgt an, und kommt ein bisschen näher.
    „Ja, mir geht’s gut. Danke. Ich … habe nur einen Schreck bekommen. Vielen Dank für deine Hilfe!“
    Er gibt einen amüsierten Laut von sich. „Ich hatte eher nicht den Eindruck, dass du meine Hilfe wirklich gebraucht hättest. Die hätte schon eher der Typ gebraucht, dem du so elegant in die Eier getreten hast.“
    „Nicht getreten. Es war mein Knie“, wiederhole ich meine Worte von vorher.
    „Ich vergaß. Verzeihung bitte!“ Eine angedeutete Verbeugung folgt und ich muss schmunzeln. Dann wird John wieder ernst. „Soll ich dich nach Hause begleiten? Leider gibt es ziemlich viele Idioten auf dieser Welt und um diese Zeit solltest du wirklich nicht mehr allein unterwegs sein.“
    „Ich kann ganz gut selbst auf mich aufpassen!“ Meine Stimme klingt aggressiver, als ich es beabsichtigt habe, deshalb füge ich schnell hinzu: „Trotzdem vielen Dank für dein Angebot.“
    In diesem Moment beginnt mein Magen zu knurren, und zwar laut und deutlich vernehmbar.
    Mist!
    Ich habe den ganzen Tag kaum etwas gegessen und irgendwie scheint mein Körper auf überstandene Schreckerlebnisse mit dem Verlangen nach Energiezufuhr zu reagieren. Das Knurren ist nicht zu überhören, auch nicht für John, der jetzt anfängt zu lachen.
    „Komm. Wenn ich dich schon nicht nach Hause begleiten darf, dann lass mich dich wenigstens in das nächste Diner einladen. Von dort aus ist es auch nur ein Katzensprung bis zum Studentenwohnheim. Da wohnst du doch, oder?“ Fragend legt er den Kopf schief.
    Erstaunt schaue ich ihn an. Wo ich wohne ist kein Geheimnis, die halbe Uni wohnt in meinem Wohnheim. Dass er das weiß, erstaunt mich allerdings trotzdem. Schließlich nicke ich, als Zustimmung zum Wohnort, will dem Rest aber widersprechen, doch er unterbricht mich.
    „Du kannst auf keinen Fall Nein sagen. Als ich
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