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Die Versuchung der Hoffnung

Die Versuchung der Hoffnung

Titel: Die Versuchung der Hoffnung
Autoren: Hannah Kaiser
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einmal auf dem Tisch steht, kann ich mich nicht zurückhalten und stopfe gierig Pommes und Chickenwings in mich hinein.
    John scheint sehr zufrieden mit sich und seinem Plan, und beobachtet mich wohlwollend beim Essen.
    Zwischendrin nippe ich an meinem Tee, alles unter Johns aufmerksamem Blick.
    „Ich verstehe nicht, wie man das Zeug freiwillig trinken kann. Fencheltee! Den musste ich als Kind immer trinken, wenn mir schlecht war oder ich gekotzt hatte.“
    Bedächtig stelle ich die Tasse wieder auf den Tisch.
    „Ich mag ihn. Der Tee beruhigt meinen Magen. Und mit ein bisschen Süßholz und Minze zusätzlich würde er sogar richtig gut schmecken.“
    „Aha.“
    „Echt jetzt.“ Auch wenn das saudumm ist, macht mich diese Unterhaltung plötzlich verlegen. So, als würde ich zugeben müssen, dass ich immer noch mit Barbies spiele. Oder als Hobby Briefmarken sammle. Eben so, als wäre ich furchtbar langweilig. Welcher erwachsene Mensch trinkt schon Fencheltee?
    Meine Mutter trinkt auch welchen.
    Okay, ich korrigiere meine Frage: Welcher erwachsene Mensch, der außerdem über solche Attribute wie aufregend , cool , interessant oder anziehend verfügt, trinkt schon Fencheltee? Und da fällt mir keiner ein. Nicht ein einziger.
    Aber ich habe mich vorhin aufgeregt und der warme Tee beruhigt nun mal meinen Magen. Und mich während eines Essens mit John Petterson übergeben zu müssen, wäre vielleicht auch nicht unbedingt als lässig zu bezeichnen. Dann eindeutig lieber der langweilige Tee.
    Da ich nicht weiß, über was ich reden soll, esse ich einfach schweigend. Das soll ja bei manchen Menschen ohnehin für gute Manieren stehen. Mir ist sowieso nicht ganz klar, warum ich mir überhaupt so viele Gedanken darüber mache, was Jonathan so alles über mich denken oder auch nicht denken könnte. Natürlich ist er total angesagt und war bestimmt früher schon immer der Coolste auf dem Schulhof. Kritisch beobachte ich ihn beim Essen. Er hat ein schönes, markantes Gesicht mit herben Zügen. Wenn er lächelt, kann man erkennen, dass sein rechter Schneidezahn ein bisschen schief ist. Komischerweise macht ihn dieser Makel eher interessanter, als dass er störend wirken würde. Obwohl John ständig auf der Bühne und mitten im Rampenlicht steht, ist er jetzt ruhig, beinah in sich gekehrt. Eher der einsame Krieger als der draufgängerische Rockstar. Aber er ist natürlich absolut gar nicht mein Typ. Ich stehe eher auf Intellektuelle mit seriösen Berufen und guten Manieren. Auf Männer, die man ohne Bauchschmerzen auch zu einem Kaffeekränzchen bei seiner Großmutter mitnehmen könnte.
    Auf Kerle, die genauso langweilig sind wie du selbst, Hope!
    Ärgerlich versuche ich, die bösartige Stimme in meinem Kopf zu ignorieren. Bodenständig , nicht langweilig. Das sind zwei grundverschiedene Begriffe. Und außerdem: Was bitte ist verwerflich daran, wenn man gern ein bisschen Sicherheit haben will? Ich finde das völlig in Ordnung so.
    Interessiert beobachte ich John weiter. Seine Essmanieren sind tadellos, was mich erstaunt. Sie stehen im krassen Gegensatz zu seinem Äußeren, das so sehr nach hartem Kerl schreit. Wenn ich ihn nicht genauer beobachtet hätte, wäre mir das vor lauter groben Silberringen an seinen Fingern und den Tätowierungen, die unter den hochgeschobenen Ärmeln seines Shirts zum Vorschein kommen, gar nicht aufgefallen. Dabei hätte ich mich für viel weniger vorurteilsbelastet gehalten!
    Gute Manieren. Die standen doch auf deiner Liste!
    Aber es ist ohnehin albern, dass ich mir über so etwas Gedanken mache, immerhin haben wir ja kein Date oder so etwas in der Art.
    Und warum bist du dann so nervös, als hättest du eins?
    Plötzlich fühle ich mich gar nicht mehr so wohl und bin mit einem Mal todmüde. Jetzt erinnere ich mich wieder daran, wie anstrengend der heutige Tag gewesen ist und kaum, dass es mir wieder einfällt, will ich dringend in mein Bett. Vielleicht liegt es daran, dass ich das erste Mal heute ein bisschen zur Ruhe gekommen bin, aber ich fühle mich auf einmal wieder fix und fertig und kann ein Gähnen nicht unterdrücken.
    „Ich sollte dringend schlafen gehen!“
    „Warte kurz!“ Während John bezahlt, ziehe ich mir meinen Mantel über.
    „Fliehst du etwa vor mir?“, fragt er mich, als er zum Tisch zurückkommt und ich dort fix und fertig angezogen auf ihn warte. Er sieht irgendwie amüsiert aus.
    „Du hast doch vorhin gesehen, was ich mit bösen Jungs anstelle. Wenn hier jemand einen Grund
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