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Die Versuchung der Hoffnung

Die Versuchung der Hoffnung

Titel: Die Versuchung der Hoffnung
Autoren: Hannah Kaiser
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vielleicht doch ein bisschen zu jung?“ Seine Augenbrauen schnellen provokant und amüsiert in die Höhe.
    Ich kann mich spontan an keinen Moment erinnern, in dem ich die elende Sparsamkeit meiner Mutter mehr gehasst habe als in diesem.
    „Die sind für meine Mom“, murmle ich, reiße sie ihm aus der Hand und stopfe sie zu den anderen Sachen in meine Handtasche. Mit zittrigen Händen nehme ich das Kleingeld entgegen, das John mir hinhält, und bringe es diesmal sicher im Kleingeldfach meines Portemonnaies unter.
    „Danke fürs Einsammeln.“ Ich klinge unsicher und piepsig und mir ist die ganze Situation so peinlich, dass ich mich kaum traue, ihm ins Gesicht zu sehen.
    „Gern geschehen!“ Seine Stimme ist tief und angenehm und wieder frei von jeglicher Belustigung. Obwohl ich mir an seiner Stelle vermutlich schon den Bauch vor lauter Lachen halten müsste. Das rechne ich ihm hoch an.
    Langsam wandert mein Blick hoch und trifft wieder auf Johns, der warm und freundlich ist.
    „Ist alles okay mit dir? Hast du dir wehgetan?“ Er beugt sich zu mir herab und klopft Staub und Dreck von meinem schwarzen Wintermantel ab, die sich bei meinem hocheleganten Sturz dort gesammelt haben. Wenn mir die ganze Situation nicht so unendlich peinlich wäre, würde mich seine Fürsorge mit Sicherheit rühren.
    „Alles in Ordnung!“ Ich versuche zu lächeln und mache dann entschlossen meine Handtasche zu. „Ich habe es ein bisschen eilig. Danke noch mal für deine Hilfe!“ Umgehend ergreife ich die Flucht und passiere die Drehtür diesmal ohne weitere Zwischenfälle und Peinlichkeiten. Aber ich bin kaum zwei Meter weit gekommen, als ich schwere Schritte in nicht minder schweren Stiefeln hinter mir höre.
    „Hey, läufst du etwa vor mir weg?“ Schon ist John neben mir.
    Ähm … ja.
    „Nein, bestimmt nicht. Aber ich muss in dreieinhalb Minuten in der Bibliothek sein und arbeiten.“ Und der Fußweg dauert in normalem Tempo von hier aus ungefähr fünf Minuten.
    „Dann begleite ich dich.“ Er klingt so entschlossen, dass ich gar nicht erst versuche, ihm zu widersprechen. „Nur um sicherzugehen, dass es dir auch wirklich gut geht. Dein Sturz gerade sah nämlich übel aus.“
    „Tu, was du nicht lassen kannst.“ Ich empfinde die ganze Situation immer noch als entsetzlich blamabel. Zum Glück dauert der Weg bis zur Bibliothek nicht sehr lang.
    „Ihr schließt um acht Uhr?“
    Man muss wirklich kein Genie sein, um das herauszufinden, denn an der Tür hängt ein großes Schild mit den Öffnungszeiten. Also nicke ich nur zustimmend mit dem Kopf.
    „Okay. Dann rufe ich dich später an. Nur um sicherzugehen, dass du deinen kleinen Unfall auch gut überstanden hast. Denn irgendwie habe ich ein wenig den Eindruck, dass ich daran nicht ganz unschuldig gewesen bin.“ In seine Augen tritt ein schelmisches, selbstgefälliges Funkeln und ein paar Sekunden lang verspüre ich den Drang, ihm kräftig gegen sein Schienbein zu treten, damit dieses Funkeln wieder verschwindet.
    „Du kannst mich gar nicht anrufen, weil du meine Telefonnummer nicht hast!“
    Hah !
    In meiner Stimme schwingt leiser Triumph mit.
    Leider hält das Hochgefühl nur so lang an, bis John mein Handy aus seiner Jackentasche zieht.
    „Das hast du vorhin liegen lassen. Ich war so frei, mich kurz damit anzurufen. Jetzt hast du meine Telefonnummer und ich habe deine.“
    Mist!
    Verärgert reiße ich ihm mein Telefon aus der Hand und drehe mich dann wortlos um, damit ich nicht noch später komme, als es ohnehin schon der Fall ist.
     
    +++
    Mit verschränkten Armen und einem amüsierten Lächeln schaut John Hope nach, während sie energischen Schrittes in der Bibliothek verschwindet.
    Wenn er nicht ihren Blick in der Drehtür gesehen hätte, als sie ihn vorhin entdeckt hat, hätte er geschworen, dass sie ihn nicht sonderlich gut leiden kann. Aber was er da vorhin in ihrem Blick gesehen hat, weckt endgültig den Jagdinstinkt in ihm.
    Und ein Anruf kostet ihn ja schließlich nichts.
    +++

 
Kapitel 5
     
    Mit dem Handy in der Hand stehe ich frierend vor der Tür und will mich nicht bewegen, weil ich Angst habe, irgendetwas von dem, was er sagt, nicht mitzubekommen, wenn ich mich bewege. Die vernichtenden Diagnosen, die Mike heute bekommen hat, müssen auch so schon schlimm genug für ihn sein. Ich will ihm auf keinen Fall zumuten, irgendetwas davon ein zweites Mal erzählen zu müssen.
    Am liebsten würde ich sofort heimfahren, aber der letzte Bus ist schon vor einer
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