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Die Verschwoerung von Whitechapel

Die Verschwoerung von Whitechapel

Titel: Die Verschwoerung von Whitechapel
Autoren: Anne Perry
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einzubüßen.«
    Gleave war mit sich zufrieden, und dazu hatte er auch allen Grund. Die Geschworenen hingen voll Bewunderung an Birketts
Lippen, und einige von ihnen sahen Adinett zum ersten Mal richtig an. Die Waage neigte sich zu Gleaves Gunsten, und er kostete bereits die Süße des Sieges.
    Pitt sah, dass der Geschworenen-Obmann die Stirn krauste.
    »Kannten Sie zufällig Mr. Fetters?«, erkundigte sich Gleave wie beiläufig, während er sich dem Zeugen wieder zuwandte.
    »Flüchtig.« Birketts Züge verdüsterten sich, und eine so deutlich erkennbare Trauer legte sich auf sein Gesicht, dass sie niemand für unecht halten konnte. »Ein großartiger Mann. Es ist paradox, dass er auf der Suche nach dem Alten und Schönen die Welt bereist hat, um die Ruhmestaten der Vergangenheit für die Gegenwart zu bewahren, und dann in seiner eigenen Bibliothek den Tod fand.« Er stieß leise den Atem aus. »Ich habe seine Aufsätze über Troja gelesen und muss gestehen, dass sich damit für mich eine neue Welt aufgetan hat. Ich hatte das vorher nie so … unmittelbar vor mir gesehen. Ich vermute, dass die Lust am Reisen und eine leidenschaftliche Anteilnahme an den Schätzen anderer Kulturen Fetters und Adinett verbunden haben.«
    »Halten Sie es für möglich, dass sie sich über einen Punkt in diesem Zusammenhang gestritten haben?«, fragte Gleave. Man konnte an seinen Augen ablesen, dass er sich der Antwort sicher war.
    Verblüfft sagte Birkett: »Um Gottes willen, nein! Fetters war ein Fachmann auf seinem Gebiet, während Adinett zu denen gehört, die voll Bewunderung jenen zuschauen, welche die Entdeckungen machen. Er hat Fetters in den höchsten Tönen gerühmt, hatte aber keinerlei Ehrgeiz, ihm nachzueifern. Es genügte ihm, sich an dessen Leistungen zu erfreuen.«
    »Danke, Mr. Birkett«, sagte Gleave mit einer leichten Verneigung. »Sie haben alles bestätigt, was wir bereits von anderen eindrucksvollen Männern aus allen Gesellschaftsschichten gehört haben. Jeder von ihnen hatte über Mr. Adinett ausschließlich Gutes zu sagen. Ich weiß nicht, ob mein verehrter Herr Kollege noch eine Frage an Sie richten möchte – ich jedenfalls habe keine mehr.«
    Juster zögerte nicht. Die Geschworenen entglitten ihm, und
Pitt merkte, dass ihm das bewusst war. Nur flüchtig legte sich der Schatten der Unentschlossenheit auf sein Gesicht, dann war er wieder er selbst.
    »Danke«, sagte der Vertreter der Anklage verbindlich und wandte sich Birkett zu.
    Pitt spürte, wie ihm die Besorgtheit die Brust zuschnürte; Birkett war unangreifbar, wie alle Leumundszeugen bisher. In den vergangenen zwei Tagen hatte Gleave den Angeklagten damit, dass er gezeigt hatte, welche Männer ihn bewunderten und ihm so in Freundschaft ergeben waren, dass sie sogar vor Gericht aussagten, nahezu über jeden Zweifel erhaben gemacht. Ein Angriff auf Birkett würde die Geschworenen nur gegen Juster aufbringen, sie aber auf keinen Fall dazu veranlassen, den dürftigen Fakten Glauben zu schenken.
    Juster lächelte. »Mr. Birkett, Sie sagen, dass Adinett seinen Freunden absolut treu war.«
    »Absolut«, bestätigte Birkett nickend.
    »Und das bewundern Sie?«, fragte Juster.
    »Selbstverständlich.«
    »Mehr als Treue Ihren eigenen Grundsätzen gegenüber?«
    »Nein.« Birkett wirkte leicht verwirrt. »Das habe ich damit nicht sagen wollen, Sir. Sollte ich diesen Eindruck erweckt haben, geschah das völlig ohne meine Absicht. Wer seine Grundsätze nicht höher stellt als alles andere, taugt nichts. Ein Freund würde nichts anderes von einem erwarten – jedenfalls niemand, den ich als meinen Freund bezeichnen würde.«
    »Mir geht es ebenso«, gab ihm Juster Recht. »Man muss tun, was man für richtig hält, sogar um den Preis, einen Freund oder die Wertschätzung der Menschen zu verlieren, an denen einem liegt, so schrecklich das sein mag.«
    »My Lord«, sagte Gleave und erhob sich ungeduldig. »All das klingt ungeheuer moralisch, nur ist das keine Frage! Sofern mein verehrter Kollege auf etwas hinauswill, sollte man ihn auffordern, das zu sagen.«
    Der Richter sah Juster fragend an.
    Dieser ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Das, worauf ich hinauswill, ist äußerst wichtig, my Lord. Adinett stellte
seine Grundsätze und Überzeugungen höher als jede Freundschaft. Anders gesagt, hätte er eine Freundschaft, ganz gleich, wie lange sie dauerte oder wie tief sie ging, seinen Überzeugungen geopfert, sofern es sich als nötig erwiesen hätte, zwischen
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