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Die verlorene Koenigin

Die verlorene Koenigin

Titel: Die verlorene Koenigin
Autoren: Frewin Jones
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Schülern schlich sich Edric zum Seiteneingang hinaus, um Tanias Vater aus dem Weg zu gehen, der schon am Vordereingang im Auto auf seine Tochter wartete.
    »Na, wie war’s?«, fragte er. »Gab’s irgendwelche Probleme?«
    »Nein, überhaupt keine«, erwiderte Tania, während ihr Vater den Wagen anließ.
    Während des gesamten Heimwegs fragte er kein einziges Mal nach Edric und sie schnitt das Thema auch nicht an. Schlafende Hunde soll man nicht wecken, dachte sie.
    »Alle, die bei der Aufführung dabei sind, machen nächste Woche einen Ausflug ins Globe Theatre«, erzählte sie ihrem Vater.
    »Ach ja?«, erwiderte er. »Liegt das nicht an der Themse?«
    »Ja, stimmt. Angeblich ist es eine exakte Nachbildung des Theaters, das dort zu Elisabeths Zeiten stand, als Shakespeares Stücke uraufgeführt wurden. Mr s Wiseman glaubt, der Ort würde uns inspirieren und wir spielen besser, wenn wir mal das Original gesehen haben.«
    »Das macht bestimmt Spaß«, meinte ihr Vater. »Und wo wir gerade von Spaß reden: Deine Mum hat mit dem Besitzer des Ferienhäuschens in Tintagel telefoniert, wo wir letzten Sommer waren. Wir haben es ab nächsten Montag für vierzehn Tage gebucht. Was sagst du dazu?«
    »Klingt toll«, sagte Tania und verbarg sorgfältig ihre Bestürzung. Ein Familienurlaub bedeutete ein weiteres Hindernis bei der Suche nach Titania.
    »Dann war Mr s Wiseman also nicht verärgert, dass du mehrere Proben verpasst hast?«, fragte ihr Vater.
    »Nein, sie hat nur ein paar spitze Bemerkungen über die Zusammenarbeit mit Primadonnen gemacht und dann weitergeprobt.«
    »Für dich gibt es wahrscheinlich ein paar Extraproben, damit du alles aufholst, was du versäumt hast.«
    »Ja, das nehme ich an.«
    »Möchte sie, dass du morgen kommst?«
    Morgen war Samstag, der Tag, an dem sie und Edric nach Richmond wollten.
    Tania sah ihren Vater entschuldigend an. Er hatte ihr unabsichtlich geholfen, eine Lüge zu vermeiden. »Ja, es steht einiges an«, sagte sie. »Hättest du was dagegen, wenn du mich gegen zehn Uhr morgens hinfährst?«
    »Kein Problem«, sagte er. »Und wenn du fertig bist, ruf mich einfach an, dann komme ich dich gleich abholen.«
    »Das brauchst du nich t – ich kann allein nach Hause kommen.«
    »Auf keinen Fall«, sagte ihr Vater resolut. »Ich hole dich von der Schule ab, okay?«
    Tania nickte.
    »Ach, übrigens«, sagte ihr Vater und wechselte dabei das Thema. »Was ist eigentlich mit dem Buch passiert? Du weißt schon, dieses schöne alte Buch mit dem Ledereinband, das wir dir zum Geburtstag ins Krankenhaus gebracht haben; der Band den dir ein geheimnisvoller Fremder geschickt hat.«
    Tania wusste genau, wo sich das Buch befand. Es stand wieder an seinem angestammten Platz in der großen Bibliothek im Elfenpalas t – zwischen dem Seelenbuch ihrer Schwester Zara und dem ihres Onkels, des Grafen Marshall Cornelius.
    »Keine Sorge«, entgegnete Tania und blickte aus dem Autofenster. »Ich verwahre es an einem sicheren Ort.«

IV
    T ania und Edric brauchten mit der U-Bahn eine Stunde von Camden nach Richmond. Die Station lag unter einer belebten Hauptstraße mit breiten Bürgersteigen. Für Tania war es eine Erleichterung, aus der stickigen, überfüllten U-Bahn herauszukommen, aber auch auf offener Straße hatte sie zwischen den samstäglichen Menschenmassen ein klaustrophobisches Gefühl, während sie Hand in Hand mit Edric das erste Postamt ansteuerte, das er im Internet ausfindig gemacht hatte.
    Wie sich herausstellte, handelte es sich um eine gut besuchte Hauptfiliale, in der ständig Kunden durch die doppelten Schwingtüren ein- und ausgingen. Tania spähte durch eine der Glastüren.
    »Da drin stehen mindestens fünfzig Leute in der Warteschlange«, meinte sie niedergeschlagen. »Das kann den ganzen Tag dauern.«
    »Dann stell dich gar nicht erst an«, schlug Edric vor und hielt ihr eine der Türen auf. »Geh einfach direkt zu einem Schalter und sag, dass du dringend den Filialleiter sprechen willst.«
    »Gut, wenn du meinst.« Tania schlängelte sich zwischen den Ständern mit Grußkarten und Briefpapier hindurch und bahnte sich einen Weg zum ersten Schalter, wo gerade eine Frau bedient wurde.
    Tania setzte ein freundliches Lächeln auf. »Entschuldigen Sie«, sagte sie zu der Kundin. »Darf ich kurz stören?« Die Frau sah sie mit leerem Blick an. Tania wandte sich lächelnd an den Angestellten hinter der Glastrennscheibe. »Könnte ich bitte mit dem Filialleiter sprechen?«
    »Einen Moment.«
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