Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition)

Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition)
Autoren: Rebecca Martin
Vom Netzwerk:
Tür klopfe?«
    Sie schaute ihren Sohn ernst an. Natürlich, Judy und sie waren eng miteinander, besonders, seit sie dem Kind die Mutter ersetzte, aber sie war zu John gekommen, um mit ihm zu reden. Nach so langer Zeit musste das doch endlich wieder möglich sein.
    John schwieg. In seinen grauen Augen flackerte jetzt jener irrlichterne kleine Funken auf, der ihr auch an seinem Vater unvergesslich bleiben würde. Dessen Augen waren es gewesen, die sie andere Dinge hatten vergessen lassen: Trauer und Mutlosigkeit hatten sich in Joseph Hunters Armen in Lust verwandelt. Lust auf ein Leben, für das sie ein anderes vergessen hatte – oder zumindest geglaubt hatte, es auf immer hinter sich lassen zu können.
    Aber sie hatte sich geirrt. Sie wusste das jetzt.
    Wie habe ich mich nur so täuschen können?
    Claire presste die Lippen aufeinander und musterte ihren Sohn genau.
    War das wirklich der richtige Zeitpunkt, ihm von ihren Plänen zu erzählen?
    Immerhin hatten sie erst in letzter Zeit wieder begonnen, miteinander zu reden, über einfache Dinge, wie die Frage, welche Marmelade man zum Frühstück essen wollte oder ob es Pfannkuchen geben sollte. Erst vor wenigen Tagen waren sie zum ersten Mal gemeinsam die Weinberge abgefahren. Sie hatten sich über die letzte Ernte unterhalten und über die Weinveredlung, und Claire hatte gewusst, dass auch ihr Sohn wieder Pläne machte.
    Damals hätte sie am liebsten geschrien vor Glück. Aber konnte sie es jetzt tatsächlich schon wagen, ihm von ihrem Vorhaben zu berichten?
    Doch während Claire noch nach den richtigen Worten suchte, übernahmen ihre Hände schon die Arbeit. Schwei gend legte sie den deutschen Grundbuchauszug auf den Tisch, den sie heute erstmals seit Langem unter ihren Sachen hervorgeholt hatte.
    John warf lediglich einen knappen Blick auf das Papier.
    »Ich kann kein Deutsch.«
    Claire zog sich einen Stuhl heran und setzte sich.
    »Judy hat mich heute übrigens auch wieder nach Deutschland gefragt.«
    »Hm.«
    Vielleicht war es ein Fehler gewesen, bei ihren Recherchen Judy und die Unterstützung ihrer Schulbibliothekarin, Mrs. Carlyle, in Anspruch zu nehmen, aber Claire hatte sich schließlich nicht anders zu helfen gewusst. Mrs. Carlyle hatte ihr den Tipp mit dem Detektivbüro gegeben.
    Es bleibt Ihnen nichts anderes übrig, wenn Sie Gewiss heit wollen, hatte sie zu ihr gesagt.
    Claire wollte Gewissheit. Sie deutete auf den Grundbuchauszug.
    »Ich habe ein Haus gekauft.«
    »Was?« Jetzt runzelte ihr Sohn die Stirn. »Wann?«
    »Vor fünf Jahren.«
    Claire sah, wie es in Johns Gesicht arbeitete. Er musste nicht rechnen, natürlich nicht. Seine Stimme klang belegt, als er weitersprach.
    »In Deutschland?«
    Claire hörte die Ratlosigkeit, die sich in Johns Grundton der Trauer mischte.
    »Ja.«
    Vor fünf Jahren, dachte sie, habe ich wieder häufiger an Deutschland gedacht, damals, als Joseph mir sagte, dass ich endlich reinen Tisch machen müsse.
    Und es wäre doch interessant, ein Weingut in Deutschland zu besitzen, hatte er irgendwann gesagt, ein deutscher Ableger für Hunter’s sozusagen.
    Damals hatte Claire sich zum ersten Mal erlaubt, wieder an Ereignisse zu denken, die sie so lange verdrängt hatte. Der Name des Ortes war ihr nicht sofort eingefallen, doch schließlich war er zurückgekommen, wie so vieles andere … Bonnheim.
    Aber dann war der Unfall passiert. Sie hatte ihre Pläne hintenangestellt, weil sie der Enkelin zur Mutter und ihrem Sohn zur Stütze geworden war, auch wenn John ihre Be mühungen stets zurückgewiesen hatte. Claire spürte ihr Herz so heftig schlagen, als wolle es aus ihrer Brust hüpfen. Ihre Hände zitterten. Fünf lange Jahre hatte sie ihre eigenen Ideen und Wünsche zurückgestellt, hatte die eigenen Erinnerungen unter einem Berg von Arbeit und Pflichten verborgen und nicht mehr an Bonnheim gedacht, jenes Weingut, das einmal ein solch wichtiger Bestandteil ihres Lebens gewesen war.
    Die Erinnerungen kamen jetzt nicht mehr langsam, sie stürmten geradezu auf Claire ein, verbanden sich unablässig mit neuen Gedanken und Bildern. Trotzdem bemerkte sie, dass John sie anstarrte.
    »Deutschland, aber warum?«
    »Weil es mein Heimatland ist.«
    »Na«, John setzte sich ebenfalls und lehnte sich in seinem Drehstuhl zurück, »du hast mir nie gesagt, dass dir das etwas bedeutet. Du hast auch nie über dein deutsches Leben gesprochen, mit keinem von uns, oder liege ich da falsch?« Er hob fragend eine Augenbraue.
    »Nein«, Claire
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher