Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Verfemten

Die Verfemten

Titel: Die Verfemten
Autoren: Thomas Knip
Vom Netzwerk:
seines Herzens in seinem Schädel dröhnte. Erneut presste sich sein Magen zusammen. Talon atmete lange und tief durch, und sein Körper beruhigte sich ein wenig. Erst jetzt konnte er die abgestandene, mit zahlreichen intensiven Gerüchen erfüllte Luft auf seiner Zunge schmecken. Angewidert verzog er die Nase und sank zurück. Noch einmal hustete er.
    Wie aus der Ferne hörte er ein hastiges Rufen. Nur langsam öffnete er die Augen. Zuerst glaubte er, überhaupt nichts sehen zu können. Erst nach und nach schälten sich die ersten Umrisse aus dem schattenerfüllten Dämmerlicht. Hier und dort unterbrach der schwache Lichtschein kleiner Feuer die Dunkelheit, die sich schwer auf die Umgebung legte, und zeigte die huschenden Umrisse menschlicher Körper.
    Schwach drehte Talon den Kopf zur Seite. Er lag auf einer vor Dreck starrenden Matte aus geflochtenem Bast nahe an einer Felswand, die mit feuchtem Moos bedeckt war. Wie er feststellen konnte, war er nicht gefesselt worden. Offensichtlich waren sich seine Gegner ihrer Sache sehr sicher.
    „Ich sehe, du bist aufgewacht“, unterbrach eine raue Stimme Talon in seinen Gedanken. Die Worte kamen auf Kiswahili, doch der Mann aus dem Dschungel konnte deutlich hören, dass es nicht die Muttersprache seines „Gastgebers“ war. Dieser stützte seinen verhüllten Körper auf seinem mannshohen Stab auf.
    „Kann ich … etwas zu trinken haben?“, fragte Talon mit brüchiger Stimme. Auf einen Wink der Gestalt hin kam ein weiterer Vermummter, der eine einfache Holzschale mit einer Flüssigkeit hinstellte und sich dann zurückzog. Eine kleine Dunstfahne löste sich von der Oberfläche. Bei jeder Bewegung schien Talons Kopf förmlich explodieren zu wollen. Nur mühselig schaffte er es, sich auf die Seite zu legen und mit dem linken Arm aufzustützen. Er griff nach der Schale mit der warmen Flüssigkeit. Ein intensiver Geruch schlug ihm entgegen.
    „Abgekochtes Wasser, mit ein paar Kräutern“, erklärte ihm der Vermummte. „Trink. Was Besseres haben wir nicht.“
    Nur widerwillig kam Talon der Aufforderung nach. Die Flüssigkeit roch alles andere als verführerisch. Doch schließlich siegte sein Durst, und er trank die Schale in wenigen Zügen hastig leer. Trotz des ekelhaften Geschmacks breitete sich wohlige Wärme in seinem Körper aus. Die ganze Zeit musterte ihn die verhüllte Gestalt aufmerksam. Plötzlich legte sie den Stab beiseite und zog das Bronzeschwert aus einer Falte der Stofffetzen hervor und hielt es in der eingemummten rechten Hand.
    „Du bist Talon“, stellte die Stimme fest. „Nur dieses Schwert … – es ist keines aus dem Tempel. Das hier ist anders, wie aus einem Museum.“
    Der Mann aus dem Dschungel kniff die Augen zusammen. „Wer bist du?“, fragte er mit klirrender Stimme. „Woher weißt du, wer ich bin?“
    „Ich habe dich damals gesehen, im Thronsaal“, erklärte ihm die vermummte Gestalt und reichte das Schwert an jemanden weiter, der wie ein Schatten aus der Dunkelheit aufgetaucht war. „Dich und diese alten Krieger“, sprach sie weiter. „Und später, noch einmal, als wir dachten, der Tempel gehöre uns und du seist weggesperrt.“
    Die Gestalt beugte sich vor. „Ich habe dich gesehen, dich und diesen schwarzen Löwen, damals, im Verlies. Als ihr uns in die Quere gekommen seid. Die Nacht, als ihr Eser Kru getötet habt!“
    Eser Kru! Bei der Erwähnung dieses Namens zuckte Talon zusammen. Er versuchte sich zu erheben, doch sofort riss die Gestalt vor ihm den Stab hoch und drückte das untere Ende kraftvoll gegen seine Brust.
    „Lass es“, quittierte der Vermummte die Aktion.
    „Du hast zu seinen Gefolgsleuten gehört, richtig?“, stellte Talon fest.
    „Wir alle hier“, erfolgte die Bestätigung. „Wir alle sind ihm gefolgt. Und wir alle zahlen den Preis dafür. Möge seine Seele in der ewigen Kälte der Nacht vergehen!“
    Überrascht kniff der Mann aus dem Dschungel die Augen zusammen. Diese Reaktion verwirrte ihn. Nach und nach ebbte der pochende Schmerz in seinem Kopf ab. Er sah sich um. In dem schwachen Lichtschein der wenigen Feuerstellen konnte er um die zwanzig, vielleicht dreißig Gestalten ausmachen. Viele von ihnen hatten ihre verhüllten Köpfe in seine Richtung gestreckt und schienen der Unterhaltung aufmerksam zu folgen, auch wenn sie die Worte kaum wahrnehmen konnten.
    „Ihr habt damals nicht alle töten können, nicht alle festgenommen. Manche sind entkommen, wie ich“, wurde ihm erklärt. „Viele von uns
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher