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Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Titel: Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith
Autoren: Christoph Marzi
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Fetzen von Bildern in der Erinnerung des Mädchens zurückblieben. Da war Carathis, die auf sie zusprang. Der Elf, der ihr entgegentrat. Dem die Kreatur, die jetzt eine hübsche Frau war, das Krummschwert entriss. Die breite Klinge, die in seine Brust fuhr. Der überraschte und schmerzerfüllte Blick des Elfen, als er begriff, was geschehen war. Blutige Lippen, die stumm Auroras Namen zu flüstern schienen.
    Dann hatte Carathis den Körper des Elfen zu Boden fallen lassen.
    »Wir sind, was wir sind«, hatte sie zu Aurora gesagt.
    Oder gar zu Maurice Micklewhite?
    Dann war sie über das Mädchen gekommen. Hatte Aurora förmlich angesprungen, noch bevor diese überhaupt verstanden hatte, was da gerade passiert war.
    »Für nur wenige Tage«, gestand Carathis, als sie auf dem Körper ihrer Tochter hockte, »da waren wir glücklich gewesen.« Sie deutete in die Richtung des Leichnams. »Er und ich.« Sie wirkte traurig, als sie sagte: »Salome bin ich gewesen. Damals. In Kairo. Doch kein Glück ist von Dauer.«
    »Du hast ihn geliebt?«
    Einen Moment wirkte das Wesen nachdenklich. »Für den flüchtigen Hauch eines Augenblicks, der sein Leben in meinen Augen gewesen ist.« Ganz kurz nur hatten ihre Augen menschlich gewirkt. »Maurice, wie schon so viele andere vor ihm auch.«
    Aurora sah jetzt das Gesicht, das auch ihr Vater damals erblickt haben musste. Die feinen Züge einer dunkelhäutigen Frau.
    »Ich bin deine Tochter«, flüsterte Aurora.
    Ganz fassungslos.
    »Und deshalb«, antwortete Carathis, »ist dein Schicksal besiegelt.«
    »Sie ist hier.« Kalt klang Liliths Stimme. »Ich kann sie spüren. Zeit zu beenden, was nie hätte begonnen werden dürfen.«
    El-Khamsin, der heiße Wüstenwind, streifte Liliths Gesicht und trug den Sand, der die Maske war, von dannen.
    Übrig blieb das Gesicht der Lichtlady, die einst Madame Snowhitepink gewesen war und noch genauso aussah wie damals, als sie dem Waisenhaus ihre Besuche abgestattet hatte.
    Eliza Hollands Gesicht war gänzlich verschwunden.
    Verweht vom Wüstenwind.
    »Lasst uns nach Pandaeomonium gehen«, sagte Lilith.
    Der Wüstenwind schob sich unter den Teppich, und so flogen wir zurück zu dem Ort, an dem Carathis uns erwarten würde.
    Die Maske aus Sand eilte uns einem Sandsturm gleich voraus.
    Ständig veränderte sie ihre Form. War einmal Elizas Gesicht, dann ein anderes.
    Schließlich entschwand die Maske aus Sand unseren Blicken.
    »Jetzt«, murmelte Lilith, »wird es ein Ende finden.«
    Aurora Fitzrovia, die ihre Wurzeln nun kannte und ihren Vater von ihrer Mutter Hand hatte sterben sehen, blickte in die dunklen Augen von Carathis, deren Gesicht dem ihren ganz nahe war.
    Sie fühlte sich ruhig.
    Carathis würde sie töten.
    Deswegen war sie hergekommen.
    Warum die Dinge so geschahen, wie sie es nun einmal taten, mochte das Mädchen nicht ergründen. Eine Welt war vor ihren Augen entstanden und gleich wieder zerfallen. Der Elf, den sie seit vier Jahren kannte und der sich ihrer angenommen hatte wie ein Vater, war sogar einmal in das Wesen, das ihr den Tod bringen würde, verliebt gewesen. Sie warf einen letzten Blick auf den toten Maurice Micklewhite, der seine Tochter zu verteidigen versucht hatte und doch nichts hatte ausrichten können gegen Carathis, die er einst Salome genannt hatte.
    Dies, dachte Aurora, sind meine Wurzeln.
    Dann schloss sie die Augen.
    Und hoffte, dass das Ende, wenn es käme, schnell kommen würde.
    Es war vorüber, als wir Pandaemonium erreichten.
    Al-Vathek und Pilatus Pickwick standen über dem Leichnam Maurice Micklewhites, neben dem Aurora Fitzrovia inmitten einer Blutlache lag.
    »Es ist tatsächlich vorbei«, sagte Lilith.
    Langsam trat sie vor.
    Kniete sich neben das Mädchen.
    Das hustete.
    »Spürst du die Veränderung, mein Kind?«
    Aurora erwiderte nichts.
    Als Lilith sie zu berühren versuchte, da zuckte sie zurück.
    Nicht einmal Emily durfte sich ihr nähern.
    »So also endet es«, sagte al-Vathek.
    Denn er hatte es gesehen.
    Hatte die kreischenden Vinshati und infizierten Nekir in Krämpfe fallen und sterben sehen, während die gesunden Nekir über die Kadaver und zuckenden Sterbenden hergefallen waren.
    »Carathis ist fort«, verkündete auch Pilatus Pickwick.
    Und berichtete uns, wie die Sandmaske das Gesicht der Carathis bedeckt hatte. Wie ihr die Sandkörner in den Rachen gekrochen und die Augen zu Staub zerfallen waren. Wie Klauen und Haut durch die Luft gewirbelt worden waren, als ihr Körper und ihr Geist, die
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