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Die Unvollendete: Roman (German Edition)

Die Unvollendete: Roman (German Edition)

Titel: Die Unvollendete: Roman (German Edition)
Autoren: Kate Atkinson
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passieren würde. Sie hätten sich vermutlich noch einmal geküsst, doch in diesem Moment bog der Lumpensammlerwagen um die Ecke, und der nahezu unverständliche Sirenenruf des Lumpensammlers – Luuumpnsaaamla  – störte ihre keimende Romanze.
    »Nein, nichts ist passiert«, sagte sie zu Teddy. »Ich habe mich von Izzie verabschiedet. Du hast ihr Auto nicht gesehen. Es hätte dir gefallen.«
    Teddy zuckte die Achseln und stieß Die Abenteuer des Augustus vom Tisch auf den Boden. »Was für ein Blödsinn«, sagte er.
    Ursula nahm ein halb volles Glas Champagner, dessen Rand mit Lippenstift verschmiert war, und goß die Hälfte davon in eine Sektflöte, die sie Teddy reichte. »Prost«, sagte sie. Sie stießen mit den Gläsern an und tranken sie bis auf den letzten Tropfen aus.
    »Alles Gute zum Geburtstag«, sagte Teddy.
    *
    Was führ ich für ein wundersames Leben!
    Reife Äpfel fallen wie ein Regen;
    Und des Weines köstlichste Reben
    Den Saft in den Mund mir geben …
    »Was liest du da?«, fragte Sylvie argwöhnisch.
    »Marvell.«
    Sie nahm ihr das Buch aus der Hand und überflog die Verse. »Ziemlich saftig«, sagte sie.
    »›Saftig‹ – soll das etwa Kritik sein?« Ursula lachte und biss in einen Apfel.
    »Sei nicht altklug«, sagte Sylvie und seufzte. »Das steht einem jungen Mädchen nicht gut an. Für welche Fächer willst du dich entscheiden, wenn du nach den Ferien wieder in die Schule musst – Latein? Griechisch? Doch nicht etwa Englische Literatur? Das wäre abwegig.«
    »Englische Literatur wäre abwegig?«
    »Es wäre abwegig, Englische Literatur zu studieren. Man liest sie.« Sie seufzte noch einmal. Keine ihrer Töchter hatte Ähnlichkeit mit ihr. Einen Augenblick lang weilte Sylvie in der Vergangenheit, unter einem blauen Londoner Himmel, und sie roch den Duft der vom Regen erfrischten Frühlingsblumen und hörte das leise tröstliche Knarzen und Klimpern von Tiffins Zaumzeug.
    »Neue Sprachen vielleicht. Ich weiß nicht. Ich bin nicht sicher, ich habe noch keinen Plan.«
    »Plan?«

    Sie schwiegen. Eine Füchsin schlenderte unbekümmert in diese Stille. Maurice versuchte ständig, sie zu erschießen. Entweder war er nicht der gute Schütze, für den er sich hielt, oder die Füchsin war schlauer als er. Ursula und Sylvie neigten zu letzterer Ansicht. »Sie ist so hübsch«, sagte Sylvie. »Und sie hat einen so schönen Schwanz.« Die Füchsin setzte sich wie ein Hund, der auf sein Abendessen wartet, ihren Blick unverwandt auf Sylvie gerichtet. »Ich habe nichts«, sagte Sylvie und hob die leeren Hände, um es zu beweisen. Ursula warf ihr das Kerngehäuse zu, knapp über dem Boden, um das Tier nicht zu erschrecken, und die Füchsin trottete los, nahm es unbeholfen mit der Schnauze auf, drehte sich um und verschwand. »Ein Allesfresser«, sagte Sylvie. »Wie Jimmy.«
    Maurice tauchte unerwartet auf, und beide erschraken. Er trug seine neue Purdey im Arm und fragte interessiert: »War das der verdammte Fuchs?«
    »Ausdrucksweise, Maurice«, mahnte ihn Sylvie.
    Er war nach Abschluss des Studiums nach Hause gekommen, wartete, dass er seine Ausbildung als Jurist fortsetzen konnte, und war enervierend gelangweilt. Er könnte auf dem Bauernhof von Ettringham Hall arbeiten, schlug Sylvie vor, sie suchten immer nach Saisonarbeitern. »Wie ein Bauer auf dem Feld?«, sagte Maurice. »Habt ihr mich deswegen die teure Ausbildung machen lassen?« (»Warum haben wir ihn die teure Ausbildung bloß machen lassen?«, sagte Hugh.)
    »Bring mir das Schießen bei«, sagte Ursula, sprang auf und wischte sich über den Rock. »Komm schon. Ich kann Daddys altes Jagdgewehr nehmen.«
    Maurice zuckte die Achseln und sagte: »Vor mir aus, aber Mädchen können nicht schießen, das ist bekannt.«
    »Mädchen sind zu absolut nichts zu gebrauchen«, stimmte Ursula ihm zu. »Sie können gar nichts. «
    »Bist du sarkastisch?«
    »Ich?«

    »Ziemlich gut für eine Anfängerin«, sagte Maurice zähneknirschend. Sie schossen nahe dem Wäldchen Flaschen von einer Mauer. Ursula traf das Ziel wesentlich öfter als Maurice. »Bist du sicher, dass du noch nie geschossen hast?«
    »Was soll ich sagen?«, erwiderte sie. »Ich lerne schnell.«
    Plötzlich schwang Maurice den Lauf seines Gewehrs von der Mauer zum Rand des Wäldchens, und bevor Ursula sehen konnte, worauf er zielte, hatte er abgedrückt und etwas totgeschossen.
    »Hab das verdammte kleine Ekel endlich erwischt«, sagte er triumphierend.
    Ursula lief los, doch lange
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