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Die Uno

Die Uno

Titel: Die Uno
Autoren: Klaus Dieter Wolf
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welchem Verhältnis stehen sie zu den Regierungen der Mitgliedstaaten? Verkörpern nicht wenigstens der Generalsekretär und sein Apparat auch eine gewisse Eigenständigkeit, «über» den staatlichen Regierungen stehend? Einer in der Politikwissenschaft verbreitetenUnterscheidung folgend, lassen sich drei idealtypische Rollenbeschreibungen der Vereinten Nationen auseinander halten: erstens die Vorstellung von der UNO als einer Weltregierung im Werden, an die die Staaten über kurz oder lang ihre Souveränität abtreten werden; zweitens die Beschreibung der UNO als ein neutrales internationales Verhandlungssystem, das den Regierungen zur Verfügung steht, um grenzüberschreitende Probleme gemeinsam effektiver bearbeiten zu können; und drittens die Betrachtung der UNO als ein machtpolitisches Instrument, mit dem Staaten Herrschaft über andere Staaten auszuüben versuchen.
    Die Vereinten Nationen an dem
zuerst
genannten Idealtyp einer Weltregierung im Werden zu messen, geht in der Regel mit der Vorstellung einher, Frieden könne auch in den internationalen Beziehungen nur durch eine quasi staatliche Herrschaftsordnung dauerhaft gewährleistet werden. Dazu bedürfe es einer Übertragung des Gewaltmonopols auf einen über den Staaten stehenden «Welt-Leviathan», der allein autorisiert und in der Lage sein soll, Gewalt einzusetzen, um den Frieden zu erhalten. Auch wenn einem dabei schnell der Sicherheitsrat als eine Art «kollektiver Leviathan-Ersatz» in den Sinn kommt, wäre es sicher irreführend, bereits von einem «Gewaltmonopol der UNO» zu sprechen oder gar von einer bevorstehenden Entwaffnung der Staaten durch die Vereinten Nationen.
    Dem
zweiten
Idealtyp folgend werden die Vereinten Nationen nicht in den Horizont eines Weltstaates gerückt, sondern gerade als ein Ort des Regierens
ohne
eine übergeordnete Regierung verstanden. Aus dieser
governance
-Perspektive wird das UN-System als ein institutionalisiertes Geflecht von Verhandlungsforen betrachtet. Darin werden die Staaten nicht «von oben» regiert, sondern sie regieren sich auf dem Wege der freiwilligen Selbstbindung an gemeinsam ausgehandelte Normen und Regeln untereinander selbst. Freilich bedarf es auch aus dieser Perspektive der Entwicklung wirksamer Instrumente, die den Vorrang des Rechts vor der Macht durchsetzen helfen. In diesem Prozess der politischen Konstitutionalisierung des transnationalen Raums kommt der UNO aufgrund der ihr zugeschriebenen Legitimität eine besondere Rolle zu.
    Der
dritten
Auffassung zufolge stehen die Vereinten Nationen weder als Weltregierung über den Staaten noch als Verhandlungssystem zur Verfügung der Staaten. Sie können aus dieser
realpotitischen
Sicht die staatliche Machtpolitik überhaupt nicht wirksam einschränken, da sie selbst nur ein Spiegelbild der weltpolitischen Kräfteverhältnisse sind. Je eher sie bereit sind, sich in den Dienst des Status quo und der jeweils Mächtigen zu stellen, desto größer würde folglich ihre «Bedeutung» sein. Je weniger sie dazu bereit sind, desto eher müssen sie in das weltpolitische Abseits geraten.
    Die Gegenüberstellung dieser Betrachtungsweisen lässt erahnen, warum die Vereinten Nationen so unterschiedliche Bewertungen erfahren. Welche Auffassung den Wesenskern der UNO am besten trifft, ist leider nicht eindeutig zu beantworten. Dafür bietet das UN-System ein zu uneinheitliches Bild, das mit der zunehmenden Öffnung gegenüber nichtstaatlichen Akteuren noch bunter geworden ist. Angesichts der institutionellen Vielfalt und der Breite der Aufgabenfelder kann aber jedes der Deutungsangebote für bestimmte Bereiche Verständnishilfen liefern, ohne allerdings allein ein vollständiges und widerspruchsfreies Gesamtbild zu vermitteln. Gleichwohl lassen sich die Organisationen des UN-Systems wohl noch am besten als eine Inselgruppe der Zivilisation in einem Meer von Anarchie beschreiben. Deren Existenz überwindet den regellosen Naturzustand zwischen den Staaten zwar nicht grundsätzlich, aber sie leistet einen wichtigen Beitrag dazu, dass immer mehr Spielregeln eingeführt werden, die auch die Logik der Machtpolitik auf längere Sicht verändern.

III. Geschichte der UNO seit 1945
    Die Geschichte der Vereinten Nationen soll im Folgenden als eine Aufeinanderfolge von krisenhaften Zuspitzungen und von immer neuen Strategien der Krisenbewältigung beschrieben werden. Dabei waren die Amtsperioden der bisherigen acht Generalsekretäre von jeweils ganz bestimmten
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