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Die unbeugsame Braut

Die unbeugsame Braut

Titel: Die unbeugsame Braut
Autoren: Virginia Henley
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ausziehen sollen.«
    »Ich habe meine ausgezogen«, machte Mary sich wichtig.
    In diesem Moment durchschnitt eine barsche Stimme jäh die Stille. »Francis! William! Was zum Teufel treibt ihr hier?«
    Georgina, die sich abrupt umdrehte, glitt auf einem Stein aus und verlor den Halt. Es konnte nicht ausbleiben, dass sie durch und durch nass wurde. Ein auffallend großer Mann von mächtiger Statur kam auf sie zu. Er hatte tiefschwarzes Haar und war offensichtlich wütend. Sie hatte oft erlebt, dass ihr Vater die Fassung verlor, doch die finstere Miene dieses Mannes jagte ihr mehr Furcht ein, als es der Duke of Gordon je vermocht hätte.
    Die älteren Jungen beeilten sich, aus dem Wasser zu kommen, aber der Kleine rührte sich nicht.
    »Ihr solltet auf Johnny Acht geben!«, donnerte der Mann los. »Wie gut, dass ich gekommen bin, um nach euch zu sehen.« Sein düsterer, vorwurfsvoller Blick umfasste die durchnässte Georgina. »Kleines Mädchen, fällt dir nichts Vernünftigeres ein, als meine Söhne ins tiefe Wasser zu locken?«, fragte er streng.
    »Es ist doch nur ein Bach«, widersprach sie.

    Er zog seine Schuhe aus und rollte die Hosenbeine hoch. Dann watete er hinaus ins Wasser und holte seinen Sohn. »Johnny, du wirst wieder krank werden.« Drohend stand er vor Georgina, und sein Zorn ließ sein Gesicht dunkel und unheimlich aussehen.
    Der Mann wirkte äußerst einschüchternd auf sie. Es war nicht nur sein Zorn, der ihr Angst machte – es war die nur mühsam gezügelte, unbändige Wut in seinen Augen, die sie erschreckte. Sollte er dieser Wut jemals freien Lauf lassen, würde es sein, als öffneten sich die Pforten zur Hölle.
    »Nach Hause mit dir, kleines Mädchen! Und nimm deine Schwester mit. Ein Wunder, dass du nicht ertrunken bist!«
    Georgina war zutiefst gekränkt . Kleines Mädchen, unerhört!
    Er sprach zu ihr, als sei sie ein Gassenkind und nicht die Tochter eines Herzogs .
    »Hast du gehört, kleines Mädchen? Geh nach Hause!«
    Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen, um ihm gebührend zu antworten. Georgina warf ihr Haar über die Schulter zurück, reckte ihr Kinn und rief unverfroren: »Ach, geh zum Teufel … alter Mann!«
    Er schaute sie an, als wollte er sie schlagen. Sie aber erwiderte trotzig seinen finsteren Blick, während er seinen Sohn aus dem Wasser trug. Die beiden älteren Jungen hatten sich inzwischen aus dem Staub gemacht. Mit Mary an der Hand watete sie ans Bachufer. Sie zogen die Schuhe über ihre nassen Strümpfe, und Mary äffte Georgina nach, indem sie laut rief: »Alter Mann!«

3
    J ohn Russell schleppte seinen durchnässten Sohn zu dem Haus, das er für den Sommer am Dorset Square gemietet hatte.
    »Verzeih, Papa«, sagte Johnny zerknirscht.
    »Schon gut. Aber deine Mutter wird in Ohnmacht fallen, wenn sie dich so sieht. Du weißt doch, dass sie ständig kränkelt.« Er wusste noch, welche barschen Worte er seiner Frau entgegengeschleudert hatte, als sie sich heftig gegen einen Landaufenthalt der Söhne ausgesprochen hatte: Elizabeth, um Himmels willen, lass die Jungen mal richtige Jungs sein. Das ganze Jahr über sind sie in der Schule eingesperrt. Es sind ihre Sommerferien. Deine Sorge, es könnte ihnen etwas zustoßen, macht dich langsam überängstlich .
    John betrat das Haus und hoffte, seinen Sohn nach oben schaffen zu können, ehe Elizabeth ihn entdeckte.
    »Ist Johnny nass geworden?« Die Stimme seiner Frau bekam einen hysterisch hohen Ton. »Sicher hat er sich eine Lungenentzündung geholt! Ich sagte ja, dass er nicht ins Freie soll.«
    »Er ist wohlauf«, beruhigte John sie. »Bitte, fasse dich.«
    »Nie hörst du auf mich. Dunkle Vorahnungen sagen mir, dass Johnny etwas Schreckliches zustoßen wird.«
    »Ja, ich kenne deine düsteren Gedanken, meine Liebe. Ich bringe ihn hinauf und sorge dafür, dass er trockene Sachen anzieht.«
    Elizabeth Russell litt an akuter Melancholie, die sich seit der Geburt des dritten Kindes immer stärker ausgeprägt hatte. Seit fast neun Jahren war sie depressiv und ständig niedergeschlagen. Ihr Mann hatte alles versucht, um ihre trüben Stimmungen und ihre zahlreichen Ängste zu zerstreuen, doch vermochte nichts
die dunklen Schatten, die auf ihrem Gemüt lasteten, zu vertreiben.
    John brachte seinen Sohn in sein Zimmer. Als ein Hausmädchen ihm zu Hilfe kommen wollte, winkte er sie fort, schloss die Tür und zog dem Jungen seine nassen Sachen aus. Er nahm aus einer Kommode trockene Kleidungsstücke, die er dem Jungen reichte. »Du wirst
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