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Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (German Edition)

Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (German Edition)

Titel: Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (German Edition)
Autoren: John Wyndham
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die Dinge in fünf Sechsteln der Erde, im restlichen Sechstel dagegen herrschten ganz andere Verhältnisse.
    Für junge Leute, die diese Welt nicht mehr gekannt haben, muss es schwer sein, sie sich vorzustellen. Für sie mag das alles klingen wie das Goldene Zeitalter – doch für uns, die wir damals lebten, war es nicht so. Vielleicht meinen sie auch, eine so wohlgeordnete Welt müsste langweilig sein – aber auch das stimmt nicht. Sie war, im Gegenteil, ein aufregender Ort, zumindest für einen Biologen. Jahr für Jahr reichten die Anbaugrenzen für Nährpflanzen weiter hinauf nach Norden. Wo früher Tundra und Ödland war, dehnte sich nun Ernteland. Und Jahr für Jahr wurde altes und neues Wüstengebiet fruchtbar gemacht und in Acker- und Weideland verwandelt. Denn die Versorgung mit ausreichender Nahrung war unser drängendstes Problem. Und die Steigerung der Ernteergebnisse sowie die Ausdehnung der Wachstumszonen verfolgten wir auf der Landkarte mit beinahe ebensolcher Aufmerksamkeit wie frühere Generationen die Frontberichte von Kriegsschauplätzen.
    Zweifellos stellte dieser Wandel des Interesses vom Schwert zum Pflug einen sozialen Fortschritt dar, aber es war ein Irrtum, diesen Fortschritt, wie Optimisten es taten, als Zeichen einer inneren Umkehr zu deuten. Die Menschen blieben im Kern unverändert: Fünfundneunzig Prozent wollten nichts weiter als in Frieden leben; und die übrigen fünf Prozent erwogen jeweils, ob ein Risiko sich lohnte. Und nur weil diese Erwägungen bisher alles andere als vielversprechend waren, blieb der Frieden erhalten.
    Da inzwischen die Zahl der Esser jährlich um rund fünfundzwanzig Millionen zunahm, wurde das Ernährungsproblem immer drängender, und nach jahrelanger erfolgloser Propaganda brachten einige Missernten Unruhe in breite Bevölkerungsschichten.
    Der Faktor, der die kriegslüsternen fünf Prozent eine Weile von Störungsversuchen zurückgehalten hatte, war die Satellitenwaffe. Die Raketenversuche hatten am Ende doch zu einem Erfolg geführt. Es war gelungen, Geschosse in so große Höhen zu senden, dass sie dort oben die Erde zu umkreisen begannen: winzige Monde, unschädlich und harmlos, bis ein Druck auf einen Knopf den Rückstoß auslöste, der eine katastrophale Wirkung haben musste.
    Die erste Meldung über die erfolgreiche Entsendung eines solchen Satelliten erregte allgemeine Begeisterung, noch verbreiteter aber war die Besorgnis, als ähnliche Meldungen von Staaten ausblieben, von denen man wusste, dass sie auf diesem Gebiet gleichfalls Erfolge erzielt hatten. Es war ein höchst unbehagliches Gefühl, wenn man an diese gefährlichen Trabanten dachte, die dort oben in unbekannter Anzahl gelassen kreisten, bis es jemandem einfiel, sie stürzen zu lassen. Und man konnte nichts dagegen unternehmen. Doch wohl oder übel gewöhnte man sich an den Gedanken. Das Leben ging weiter – und Neuigkeiten sind so wundervoll kurzlebig. Von Zeit zu Zeit flackerte Unruhe auf, wenn Meldungen kamen, dass es neben Satelliten mit Atomladungen auch solche mit anderer Fracht gab, mit Krankheitserregern aller Art, mit radioaktivem Staub, mit Viren und Bakterien, und zwar nicht nur bekannten, sondern völlig neuartigen, in Laboratorien hergestellten Gattungen. Ob es derlei unsichere, zweischneidige Waffen wirklich gab, ist schwer zu sagen. Aber wer weiß, wie weit der Wahnsinn geht, wenn ihn die Angst vorwärtspeitscht? Irgendein virulenter Mikroorganismus, der nach ein paar Tagen seine Virulenz verlor und unschädlich wurde (und wer durfte behaupten, dass sich dergleichen nicht züchten ließ), konnte, an geeigneten Stellen abgeworfen, seinen strategischen Wert haben. Jedenfalls nahm die Regierung der Vereinigten Staaten die Sache ernst genug, um ein Dementi zu veröffentlichen: Sie kontrolliere keine für direkte biologische Kriegführung bestimmte Satelliten. Einige Kleinstaaten, die sich diese Waffe wahrscheinlich gar nicht leisten konnten, gaben ähnliche Erklärungen ab. Andere, darunter Großmächte, blieben stumm. Dieses beredte Schweigen stiftete Unruhe; man fragte, weshalb die Vereinigten Staaten es unterlassen hatten, für eine Kriegführung zu rüsten, auf die andere Mächte vorbereitet waren; man wollte auch wissen, was unter dem Wort »direkt« in dem amerikanischen Dementi zu verstehen sei? Als die Diskussion an diesem kritischen Punkt angelangt war, wurde sie mit dem stillschweigenden Einverständnis aller Beteiligten abgebrochen und das Interesse der
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