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Die Totensammler

Die Totensammler

Titel: Die Totensammler
Autoren: PAUL CLEAVE
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ist hier bei mir.«
    »Was hat sie?«
    »Das will ich dir die ganze Zeit sagen. Er hat sie umgebracht. Gestern Nacht hat er sie direkt vor meinen Augen umgebracht, und ich konnte nichts dagegen tun«, sagt er. »So was Schreckliches … so was Schreckliches hab ich noch nie erlebt.« Und das stimmt. Er hat die Hände um den Hals seiner Mutter gelegt und ihr immer wieder gesagt, dass es ihm leidtut, während er sie erwürgte und ihr die Augen aus den Höhlen traten. Er liebt sie, aber seine Freiheit ist ihm noch wichtiger. Es gab keine andere Möglichkeit. Die Polizei hätte ihr Fragen gestellt. Und sie hätte von einem verrückten Mann erzählt, der ihren Sohn für einen Serienmörder hält. Die Polizei hätte sich bestimmt gefragt, ob an der Geschichte was dran ist, immerhin ist eine seiner Studentinnen verschwunden. Eigentlich sind es sogar zwei, wenn man die vor drei Jahren mitzählt.
    »Mein Gott«, sagt sie.
    »Bitte, du musst mich hier rauslassen.«
    »Eine Sekunde.«
    Sie tritt zurück und öffnet die Tür, die nach außen aufgeht. Er ist erleichtert. Die Aussicht, Adrian zu töten, versetzt ihn in Erregung. Genau wie die Tatsache, dass er mit Emma Green alleine ist. Erst jetzt bemerkt er, dass sie vollkommen nackt ist. Er tritt aus der Zelle. Das hier ist weder Sunnyview noch Eastlake. »Verdammt, wo sind wir?«
    »Keine Ahnung«, sagt sie. »Ich glaube, es sind zwei.«
    »Zwei was?«
    »Montagabend hat mich jemand entführt«, sagt sie, »und in irgendeinem Gebäude alleine zurückgelassen. Dann hat mich eine weitere Person von dort hierhergebracht. Das war jemand anders.«
    »Wo ist er jetzt? Der, der auf dich geschossen hat?«
    »Da lang«, sagt sie und deutet den Flur hinunter.
    Der Flur gehört zu einem Wohnhaus. Einem ganz normalen Haus mit Gummizelle, nicht zu einer leer stehenden Nervenklinik. Der Flur ist mit Teppichboden ausgelegt und etwas breiter als üblich. Er wird von altmodischen Beistelltischen mit Nippes aus Keramik gesäumt, und an den Wänden hängen mehrere Aquarelle. Sie sind nicht besonders gut und wurden wahrscheinlich vom Besitzer des Hauses gemalt. Cooper geht zwei Schritte auf das Zimmer zu, aus dem Emma gekommen ist, als die Tür aufgestoßen wird und Adrian dahinter erscheint. Seitlich an seinem Gesicht laufen Blut und noch was anderes herunter; den Großteil der Schweinerei verdeckt er mit der Hand. Sein Fuß blutet ebenfalls und sieht aus, als hätte man ihn gründlich mit einem Hammer bearbeitet. Er legt die Pistole an.
    »Mein Gott«, sagt Cooper, packt Emma und wirft sich schützend vor sie, ein Instinkt, der wohl noch aus der Zeit vor seiner Scheidung und der Sache mit Natalie Flowers stammt. Die Kugel schlägt ein gutes Stück von ihnen entfernt in der Wand ein, und ihm werden zwei Dinge klar: Adrian hat wahrscheinlich noch nie eine Pistole in der Hand gehalten, und er kann nicht richtig zielen, weil er nur noch mit einem Auge sehen kann.
    »Du bist mein Freund«, brüllt Adrian und drückt erneut ab, diesmal verfehlt er sie nur knapp.
    »Weg hier«, sagt Cooper, rollt sich von dem Mädchen herunter, packt sie am Arm und zieht sie nach oben. In dem Zimmer, das sie gerade verlassen haben, könnten sie sich in Sicherheit bringen, aber dann wäre Cooper wieder in derselben Situation wie eben: Adrian auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
    Dummerweise ist das die einzige Möglichkeit. Die Tür ragt in den Flur, und um an ihr vorbeizukommen, müssten sie sie schließen. Das würde ein, zwei Sekunden Verzögerung bedeuten, und so viel Zeit haben sie nicht.
    »Ich dachte, du magst mich«, keucht Adrian, doch Cooper ist sich nicht sicher, ob er gemeint ist.
    Er stößt Emma in das Zimmer und hechtet hinterher. Der Aufprall genügt, um seiner Blase den entscheidenden Impuls zu versetzen. Als er sie wieder unter Kontrolle bringt, hat sie sich bereits zu einem Viertel geleert. Er schätzt, dass er fünf Sekunden für eine Entscheidung hat, bevor Adrian die Tür schließt oder auf sie schießt.
    »Hast du eine Waffe?«, fragt er.
    »Was? Nein, nein, natürlich nicht.«
    Seine Hose ist durchnässt, und seine Blase will unbedingt da weitermachen, wo sie aufgehört hat. Jetzt tut sie sogar mehr weh als vorher. Er lässt den Blick durchs Zimmer wandern. Es ist immer noch nichts Brauchbares hier.
    Außer seiner Mutter.
    Sie soll nicht umsonst gestorben sein.
    Kapitel 55
    Ein Wärter erscheint und fordert mich auf, ihm zu folgen. Er wirkt angespannt, und hat seine hohe Stirn in Falten gelegt.
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