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Die Totengräberin - Roman

Die Totengräberin - Roman

Titel: Die Totengräberin - Roman
Autoren: Sabine Thiesler
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Urlaub machte.
    »Die beiden lassen schön grüßen«, unterbrach Johannes Magdas Gedanken, »und wir haben vereinbart, uns wie immer bei uns zum Abendessen zu treffen. Vielleicht am Wochenende. Oder nächste Woche. Wie du willst.«
    Magda antwortete ihm nicht mehr, denn in diesem Moment wurde ihm übel. Es war kein Schmerz, sondern eine unkontrollierbare Schwäche. Die Welt begann sich in seinem Kopf zu drehen, und er spürte, wie ihm die Augen wegkippten.
    »Magda«, röchelte er, »hilf mir, mir ist so schlecht, ich kann mich nicht mehr halten. Was ist los mit mir? Hilf mir, oh mein Gott …«
    Um ihn herum wurde es schwarz, er versuchte seinen
Arm zu heben, aber es gelang ihm nicht, der Arm rutschte nach unten, neben den Tisch ins Leere, und Johannes’ Gesicht schlug schwer und hart auf die Holzplatte des Tisches.

6
    Magda hatte in der Apotheke lange auf die Gelegenheit gewartet. Henriette, ihre Chefin, war beim Zahnarzt und würde nicht vor fünf wiederkommen. Außer ihr war nur Daniela, die Apothekenhelferin, eine ziemlich langsame, dralle Blondine mit fünf Dioptrien auf dem einen und sieben Dioptrien auf dem anderen Auge, im Geschäft. Sie bediente gerade eine Kundin, die alles über Mittel gegen Erkältungskrankheiten bei Kindern wissen wollte, was Magda für überkandidelt hielt. Heutzutage gab es bei Medikamenten gegen Erkältungskrankheiten keine Überraschungen und keine Geheimnisse mehr, und Magda beobachtete angewidert, wie Daniela den Beipackzettel trotz dicker Brille bis direkt vor ihre Augen hielt.
    In diesem Moment betrat der Pharmalieferant die Apotheke und wurde von Magda direkt nach hinten in den Lagerraum gebeten, wo er die Kiste mit Succinylcholin absetzte. Einem Mittel, das vor allem Lungenärzte für ihre Belegkliniken bestellten, da sie Intubationen mit dieser Narkose durchführten.
    »Wie lange haben Sie heute noch zu tun?«, fragte sie freundlich und desinteressiert.
    »Sie sind meine vorletzte Kundin«, antwortete der Lieferant, trat von einem Bein auf das andere und grinste.

    Magda lächelte ebenfalls und unterzeichnete den Lieferschein. Der Lieferant fasste sich grüßend an die Mütze und verschwand so schnell und unauffällig, wie er gekommen war.
    In Windeseile begann sie die Kiste auszupacken und ließ fünf Ampullen in ihrer Kitteltasche verschwinden. Die übrigen stapelte sie sorgfältig in den Giftschrank, zu dem nur sie und Henriette einen Schlüssel besaßen.
    »Frau Kremer braucht eine Packung Zocor«, platzte Daniela herein. »Sie hat kein Rezept, aber sie meint, sie habe Zocor hier immer ohne Rezept bekommen. Ohne Probleme.«
    »Pack die Ampullen zu Ende aus«, meinte Magda zu Daniela, »ich kümmere mich um Frau Kremer.«
    Frau Kremer hatte der Himmel geschickt. So konnte sie immer sagen, Daniela habe die Ampullen einsortiert, und wenn es Henriette auffallen sollte, dass einige fehlten, würde sie Daniela rausschmeißen. Unzuverlässige Apothekenhelferinnen konnten sie nicht gebrauchen.
    Magda war überaus freundlich zu Frau Kremer. Sie kannte die Kundin seit Jahren, und selbstverständlich bekam sie ihr Mittel gegen erhöhtes Cholesterin ohne Rezept.
    Daniela hatte den Giftschrank fertig eingeräumt. Magda bedankte sich bei ihr und schloss den Schrank ab.
    Es war noch eine halbe Stunde bis Feierabend. Magda trank einen Kaffee mit Daniela, und da kaum noch Kunden in die Apotheke kamen, schickte sie sie nach Hause.
    Daniela drückte sich ihre dicke Brille fester auf die Nase und fuhr - blind wie eine Henne - in ihrem kleinen Polo davon.
    Magda nutzte die Gelegenheit, auch noch schnell wirkende Barbiturate einzustecken.

    Um neunzehn Uhr schloss Magda die Apotheke sorgfältig ab und fuhr nach Hause. Eigentlich hatte Henriette ja vor Feierabend noch vorbeikommen wollen, aber vielleicht hatte der Zahnarzt geschnitten, und es ging ihr nicht gut.
     
    Am nächsten Vormittag hatte Magda frei. Um Viertel nach elf rief Henriette an.
    »Gestern ist Succinylcholin angeliefert worden?«, fragte sie.
    »Ja, warum?«
    »Es fehlen fünf Ampullen. Ich habe den Bestand und den Eingang überprüft.«
    »Das kann ja gar nicht sein.« Magda wunderte sich insgeheim, dass Henriette das bemerkt hatte. Sie hatte es ihr wirklich nicht zugetraut.
    »Kannst du dir das erklären?«
    »Nein. Hast du wirklich genau gezählt?«
    »Ja.« Henriette schnaufte genervt. »Hast du die Ampullen eingeräumt?«
    »Zuerst ja, aber dann hat Daniela weitergemacht, weil eine schwierige Kundin in den Laden
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