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Die Tote in der Bibliotek

Die Tote in der Bibliotek

Titel: Die Tote in der Bibliotek
Autoren: Agatha Christie
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Sie nicht? Danach ist sie einfach…»
    «Verschwunden», ergänzte Josie. «Genau.»
    «Kannte Miss Keene jemanden in St. Mary Mead? Oder sonst in der Gegend?»
    «Ich weiß nicht. Möglich wär’s schon. Es kommen ja viele junge Männer aus der Umgebung ins Majestic. Wenn sie’s nicht nebenbei erwähnen würden, wüsste ich gar nicht, dass sie von hier sind.»
    «Hat Ihre Kusine irgendwann einmal von Gossington gesprochen?»
    «Gossington?» Josie schien völlig perplex.
    «Gossington Hall.»
    Sie schüttelte den Kopf.
    «Nie gehört», sagte sie im Brustton der Überzeugung. Auch Neugier schwang in ihrer Stimme mit.
    «In Gossington Hall», erklärte Colonel Melchett, «hat man die Leiche gefunden.»
    «Auf einem Landsitz?» Sie starrte ihn an. «Das ist ja komisch!»
    Kann man wohl sagen, dachte Melchett im Stillen. Laut sagte er: «Kennen Sie einen Colonel Bantry oder Mrs. Bantry?»
    Wieder schüttelte Josie den Kopf.
    «Und einen Mr. Basil Blake?»
    Ein leichtes Stirnrunzeln.
    «Ich glaub, den Namen hab ich schon mal gehört. Ja, sicher sogar. Aber ich weiß nicht mehr, in welchem Zusammenhang.»
    Der eifrige Inspektor Slack schob seinem Vorgesetzten ein von seinem Notizblock abgerissenes Blatt zu. Mit Bleistift stand darauf: Col. Bantry vorige Woche zum Dinner im Majestic.
    Melchett sah auf, und sein Blick begegnete dem des Inspektors. Er lief rot an. Slack war ein überaus fleißiger Beamter, gegen den er eine gründliche Abneigung hegte. Diese Provokation aber konnte er nicht ignorieren. Unausgesprochen warf der Inspektor ihm vor, seinen eigenen Stand zu begünstigen und einen alten Schulkameraden zu decken.
    Er wandte sich wieder Josie zu.
    «Würde es Ihnen etwas ausmachen, Miss Turner, mich nach Gossington Hall zu begleiten?»
    Er maß den Inspektor mit einem kalten, herausfordernden Blick und überhörte dabei fast Josies gemurmelte Zustimmung.

Viertes Kapitel

I
     
    E inen so aufregenden Vormittag hatte St. Mary Mead lange nicht mehr erlebt. Miss Wetherby, eine spitznasige, sauertöpfische alte Jungfer, setzte die berauschende Neuigkeit in Umlauf. Sie stattete Miss Hartnell, ihrer Nachbarin und Freundin, einen Besuch ab.
    «Entschuldige, dass ich so früh komme, meine Liebe, aber ich dachte, vielleicht weißt du es noch gar nicht?»
    «Was denn?», fragte Miss Hartnell in ihrem tiefen Bass. Sie war eine Frau, die sich unermüdlich um die Armen kümmerte, sosehr diese sich ihrer Fürsorge auch zu entziehen suchten.
    «Das von der Leiche in Colonel Bantrys Bibliothek – einer weiblichen Leiche!»
    «In Colonel Bantrys Bibliothek?»
    «Ja. Ist das nicht schrecklich?»
    «Ach Gott, die arme Mrs. Bantry.» Miss Hartnell konnte ihre tiefe, glühende Freude kaum verhehlen.
    «Ja, nicht wahr? Sie hat ja sicher nichts geahnt.»
    «Weil sie zuviel an ihren Garten und zu wenig an ihren Mann denkt», tadelte Miss Hartnell. «Man muss ein Auge auf die Männer haben, und zwar ununterbrochen. Ununterbrochen», wiederholte sie grimmig.
    «Wem sagst du das? Ach, es ist einfach grauenvoll.»
    «Ich bin gespannt, was Miss Marple dazu sagt. Meinst du, sie hat etwas gewusst? Sie hört doch immer das Gras wachsen.»
    «Jane Marple ist nach Gossington gefahren.»
    «Was? Heute Morgen?»
    «Ganz früh schon. Noch vor dem Frühstück.»
    «Nein! Das ist ja nicht zu fassen! Also, das geht nun wirklich zu weit, finde ich. Man weiß ja, dass Jane überall ihre Nase hineinsteckt, aber das gehört sich nun wirklich nicht!»
    «Mrs. Bantry hat sie aber eigens holen lassen.»
    «Mrs. Bantry hat sie holen lassen?»
    «Ja, Muswell war mit dem Wagen da.»
    «Du meine Güte! Das ist ja äußerst merkwürdig…»
    Sie schwiegen eine Weile, um die Neuigkeit zu verdauen.
    «Wer ist denn die Tote?», fragte Miss Hartnell schließlich.
    «Du kennst doch dieses fürchterliche Frauenzimmer, das neuerdings mit Basil Blake hierher kommt?»
    «Diese schreckliche Wasserstoffblonde?» Miss Hartnell war ein wenig hinter der Zeit zurück. Dass man statt Wasserstoff- jetzt platinblond färbte, war ihr entgangen. «Die sich immer mit fast nichts an im Garten sonnt?»
    «Genau die, meine Liebe. Da lag sie, auf dem Kaminvorleger, erwürgt!»
    «Ich verstehe nicht ganz – in Gossington?»
    Miss Wetherby nickte bedeutungsschwer.
    «Also auch er – Colonel Bantry?»
    Wieder nickte Miss Wetherby.
    «Unfassbar!»
    Eine Pause trat ein, während der sich die beiden Damen dieses neueste Stück Dorfklatsch auf der Zunge zergehen ließen.
    «Diese gottlose
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