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Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Titel: Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
Autoren: Gisa Pauly
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undurchsichtigen Scheiben, die ein Palmenzweig zierte. Der Wagen des Bestatters, den die Kripo gerufen hatte.
    Erik blieb an der Pforte stehen und sah aufs Watt hinaus. Es lag stumpf und grau vor ihm. Drei Austernfischer mit ihren runden schwarzen Köpfchen flitzten über den feuchten Sand, nur wenige Wanderer, weitläufig über das friedliche Watt verteilt, waren zu sehen. In der Ferne konnte Erik eine Kindergruppe mit einem Wattführer erkennen, ein kleiner weißer Hund vertrieb einen Möwenschwarm.
    Erst nachdem Erik die Ruhe des Wattenmeeres in sich eingesogen hatte, ging er auf die Eingangstür des Hauses zu. Sören öffnete sie, bevor Erik nach der Klinke greifen konnte. »Gut, dass Sie da sind.«
    Er trat einen Schritt zur Seite und sah seinen Chef abwartend an. Sören war ein junger Mann von Mitte zwanzig, noch unerfahren, aber zu Eriks Freude eifrig und wissbegierig. Seine vollen roten Wangen sahen aus wie frisch polierte Winteräpfel.
    Erik blieb in der Diele stehen und sah sich um. So hatte er sich das Haus einer alleinstehenden Frau in Kampen vorgestellt. Es war teuer eingerichtet, aber das Bemühen, nicht zu protzen, war durchaus zu erkennen. Für die Möbel hatte Christa Kern sich vielleicht nach Besuchen in den einschlägigen Restaurants, Teehäusern und Bars von Kampen entschieden. Kein Sessel, kein Schrank sollte den Verdacht erregen, dass die Bewohnerin nichts vom Geschmack der Sylter wüsste.
    Erik betrat das Wohnzimmer, wo Dr. Hillmot sich über die Tote beugte. Der schwergewichtige Gerichtsmediziner richtete sich schnaufend auf, als er Erik bemerkte, und begrüßte ihn kurz. »Ich schätze, dass sie seit zwei Tagen tot ist«, meinte er. »Heute ist Montag, also ist sie Sonnabend ermordet worden. Genaueres erfahren Sie morgen oder übermorgen.« Er hielt Erik eine Plastiktüte hin, in der ein Stück Kunststoffleine steckte. »Das Tatwerkzeug.«
    Erik betrachtete die Tote auf dem Sofa. Ihr Alter war schwer zu schätzen, denn ihr Gesicht war bläulich verfärbt und aufgedunsen, er konnte die Spur an ihrem Hals erkennen, die die Wäscheleine hinterlassen hatte. Christa Kern war auffallend schlank. Sie trug ein dunkelbraunes zweiteiliges Strickkleid, an ihren Fingern glitzerten mehrere Brillantringe, die Nägel waren äußerst gepflegt und rot lackiert. Die blondierten Haare waren in unnatürliche Wellen gelegt, die kaum in Unordnung geraten waren. Auf dem Tisch neben dem Sofa standen drei Nagellack-Fläschchen in verschiedenen Farben.
    »Sie muss von dem Angriff total überrascht worden sein«, sagte Dr. Hillmot. »Anscheinend ist sie nicht mehr dazu gekommen, sich zu wehren.« Er wies mit dem Kugelschreiber auf den Hals der Toten. »Die Drosselmarke verläuft annähernd horizontal und ziemlich tief.«
    Erik blickte zur Terrassentür. »Der Täter könnte dort eingedrungen sein und Frau Kern überrascht haben.«
    »Die Tür war geschlossen«, mischte sich Sören ein. »Alle Türen waren geschlossen, als die Putzfrau kam. Wir haben keine Spuren eines gewaltsamen Eindringens feststellen können.«
    Wieder nickte Erik. »Dann könnte es also jemand gewesen sein, den Frau Kern kannte. Dem sie selbst die Tür geöffnet hat.« Er sah sich um. »Wo ist die Putzfrau?«
    »In der Küche.«
    An der Wohnzimmertür blieb Erik stehen und drehte sich noch einmal um. Der Raum war in einem mustergültigen Zustand. Die Sessel standen exakt nebeneinander, der Tisch genau auf das Muster des Teppichs ausgerichtet, die Kerzenleuchter darauf in einem sauberen Quadrat aufgestellt, und die dreieckige Obstschale am anderen Ende des Tisches wies mit einer der drei Spitzen genau in den Abstand zwischen zwei Leuchtern. Von den wenigen Büchern standen alle so da, dass kein Buchrücken über das Regalbrett hinausragte, die Nippes in den Schrankfächern waren wie Zinnsoldaten aufgereiht. Die zweiteilige Gardine vor dem Fenster öffnete sich in der Mitte gerade so weit, dass eine prunkvolle Begonie zwischen den Gardinenhälften Platz hatte, hinter ihnen schimmerten Muscheln und Steine in ordentlichen Dreiergruppen auf der Fensterbank.
    Erik konnte kaum den Blick von dieser vollkommenen Ordnung wenden. Wenn er da an sein eigenes Wohnzimmer dachte! Vor seiner Ehe hatten auch bei ihm die Bücher gerade und nach dem Alphabet geordnet in den Regalen gestanden und von seinen geliebten grünen Kissen immer zwei in jeder Sofaecke, jeweils ein hellgrünes und ein dunkelgrünes. Als Lucia in sein Haus am Süder Wung zog, hatte es damit
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