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Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Titel: Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
Autoren: Gisa Pauly
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Veränderungen?«
    Heide Pedersen schüttelte den Kopf. »Es war alles tipptopp in Ordnung. Wie immer.«
    »Ja, die mustergültige Ordnung ist mir auch gleich aufgefallen«, nickte Erik.
    Heide Pedersen schien diese Bemerkung als Lob für ihre Arbeit zu verstehen, jedenfalls blickte sie nun freundlicher drein und wurde zugänglicher. »Viel war hier eigentlich nicht zu tun«, teilte sie Erik in vertraulichem Ton mit. »Eine einzige Person in diesem großen Haus! Da wird ja kaum etwas schmutzig. Besuch hatte sie nie, die Frau Kern.«
    Erik sah sie erstaunt an. »Keinen Besuch? Hatte Frau Kern keine Freunde auf der Insel?«
    Heide Pedersen schüttelte energisch den Kopf. »Nee, die hatte keine Freunde. Hier kam nie jemand zu Besuch, und sie wurde auch nie irgendwo eingeladen. Ob das früher auch schon so war, als ihr Mann noch lebte, kann ich nicht sagen. Damals habe ich noch nicht hier geputzt. Aber seit ich für sie arbeite – und das tu ich nun schon seit zwei Jahren –, hat es hier nie einen Gast gegeben.«
    »Können Sie sich das erklären?«, fragte Erik.
    »Und ob! Wer will schon was mit einer so bösen, garstigen Frau wie Christa Kern zu tun haben? Die Einzige, die sich gelegentlich bei ihr blicken ließ, war ihre Schwester.«
    Erik zückte sein Notizbuch. »Frau Kern hatte eine Schwester? Und die wohnt auch auf Sylt?«
    »Oben in List. Bernadette Frenzel heißt sie. Die Adresse weiß ich aber nicht.«
    »Die kriegen wir raus.« Erik klappte sein Notizbuch wieder zu und sah eine Weile schweigend aufs Watt hinaus. »Böse, garstige Frau, sagen Sie … Aber Sie haben trotzdem für sie gearbeitet?«
    Heide Pedersen zuckte die Achseln. »Ich brauchte das Geld. Wenn man bereit war, sich dafür schlecht behandeln zu lassen, konnte man bei ihr mehr verdienen als woanders.«
    »Und Sie waren bereit, sich schlecht behandeln zu lassen?«
    »Ich bin seit dreißig Jahren verheiratet, Herr Hauptkommissar. Mein Mann behandelt mich schlecht, mein Sohn auch. Ich bin daran gewöhnt. Wenn Frau Kern sich über mich lustig gemacht hat, habe ich die Ohren auf Durchzug gestellt. Wenn sie mir immer wieder was versprochen hat, was ich dann doch nie bekam, habe ich auch die Ohren auf Durchzug gestellt. Und wenn sie Unmögliches von mir verlangte, habe ich’s getan.«
    »Unmögliches?«, unterbrach Erik. »Was zum Beispiel?«
    »Wenn sie schlecht gelaunt war, hat sie mir den Schrubber weggenommen. Ich musste dann den Boden auf Knien wischen. Ich triebe ja sonst keinen Sport, hat sie gesagt, diese Betätigung wäre gesund für mich.« Heide Pedersen blickte auf. »Es war natürlich reine Schikane. Aber ich hab’s gemacht. Ich wusste, dass sie mir später einen Zehn-Euro-Schein extra geben würde. Sonst hätte ich es nicht getan. Aber so … Sie hatte eben Spaß daran, andere zu demütigen.«
    »Und ihre Schwester?«
    »Der ging es nicht viel besser. Sie besuchte Frau Kern regelmäßig, weil sie darauf hoffte, gelegentlich von ihr unterstützt zu werden. Wenn es Bernadette Frenzel gut gegangen wäre, hätte sie ihre Schwester vermutlich keines Blickes gewürdigt. Aber Bernadette Frenzel ist auch Witwe, wie Frau Kern. Doch sie hat von ihrem Alten nur Schulden geerbt. Und ein baufälliges Häuschen in List. Da gibt es zwei Zimmer, die sie im Sommer vermietet. Damit und mit der kleinen Rente kommt sie knapp über die Runden. Und wenn nicht, dann musste sie eben ihre Schwester anbetteln. Manchmal bekam sie was, manchmal auch nicht. Aber wenn, dann immer erst nach vielen Erniedrigungen.«
    Die Tür öffnete sich, Sören Kretschmer kam in die Küche. »Raubmord scheidet aus. Das Haus ist nicht durchsucht worden, es scheint auch nichts zu fehlen. Der Schmuck ist da, ein paar hundert Euro Bargeld, wertvolle Bilder, viele Antiquitäten – alles noch vorhanden.«
    Erik erhob sich, bat Heide Pedersen um ihre Adresse und drückte ihr seine Visitenkarte in die Hand. »Wir werden sicherlich demnächst noch ein paar Fragen haben.«
    Sören wartete ungeduldig darauf, dass Heide Pedersen sich ihre Jacke überzog und zur Haustür ging. Dann griff er nach Eriks Arm. »Kommen Sie mal, Herr Wolf! Ich habe gerade den Anrufbeantworter abgehört.«
    Er zog Erik in ein kleines Zimmer, das neben dem Wohnzimmer lag und Christa Kern wohl als Arbeitszimmer gedient hatte. Das Telefon mit dem Anrufbeantworter stand auf einem Tischchen vor dem Fenster, ein kleiner Sessel daneben, dessen vier Beine sich akkurat in das Muster des Teppichbodens fügten.
    Sören
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