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Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Titel: Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
Autoren: Gisa Pauly
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hat«, erklärte Sören, »dann müsste sie ihm außerdem noch erzählt haben, wo sie das viele Geld aufbewahrt hat. Vergessen Sie nicht, Herr Wolf! Das Haus war picobello aufgeräumt. Keine rausgerissenen Schubladen, keine durchgewühlten Schränke.«
    »Stimmt«, nickte Erik. »Trotzdem sollten wir Tove Griess bei Gelegenheit fragen, ob er Christa Kern kannte. Am besten noch heute. Ehe in allen Zeitungen steht, dass sie ermordet wurde. Wenn er nichts mit der Sache zu tun hat, wird er uns vielleicht die Wahrheit sagen, solange er nicht weiß, dass die Kern tot ist. Wenn er es weiß, wird er auf keinen Fall zugeben, dass er sie kannte.«
    »Erst recht nicht, wenn er der Mörder ist«, ergänzte Sören. »Tove weiß, dass er leicht in Verdacht gerät – bei seinem Vorstrafenregister …«

4
    Mamma Carlotta wanderte durchs Haus, brach bei jeder technischen Ausstattung, die es in Umbrien nicht gab, in Begeisterung und bei allem, was an Lucia erinnerte, in Tränen aus. »Ach, hätte ich doch einmal mit eurer Mamma durch dieses Haus gehen können!«
    Felix folgte ihr, führte ihr stolz alles vor, worin der Inselhaushalt dem umbrischen überlegen war, und tröstete sie, wenn Mamma Carlotta ein Wäschestück aufnahm, das zu Lucias Aussteuer gehört hatte, oder einen Silberrahmen, der das Foto ihrer Tochter enthielt.
    Carolin blieb am Fuß der Treppe stehen, sah ihrer Großmutter und ihrem Bruder nach, wie sie in die erste Etage gingen, und verdrückte sich in die Küche. Sie setzte sich an den Tisch und starrte das Kochbuch in italienischer Sprache an, das alle Rezepte enthielt, die auf Sylt sonst niemand kochte. Wenn Carolins Klassenkameraden mittags zum Essen eingeladen waren, wurde sie beneidet um ihre Mutter, die so ganz anders war als die Mütter ihrer Freunde. Carolin dagegen hatte sich heimlich gewünscht, Lucia hätte so wortkarg wie die anderen Mütter ein gebratenes Fischfilet auf den Tisch gestellt und eine Schüssel mit Kartoffelsalat. Ihre Mutter jedoch hatte dampfende Spaghetti und eine feuerrote Soße vor die Kinder gesetzt und sie mit lauter Stimme aufgefordert: »Lasst es euch schmecken. Wenn die Tomatensoße nicht bis an die Schränke spritzt, ist die Köchin beleidigt.«
    Mamma Carlotta bemerkte auf der obersten Treppenstufe, dass ihre Enkeltochter nicht an ihrer Seite war. »Carolina! Wo bleibst du denn?« Sie beugte sich übers Treppengeländer und wartete so lange, bis Carolins Fuß auf der ersten Stufe erschien. Erst dann betrat Mamma Carlotta das Zimmer, das früher Lucias Nähzimmer gewesen war. Jetzt sollte es der Raum sein, der sie während ihres Besuches in Wenningstedt beherbergte. Ein Gästezimmer, dem allzu Persönliches genommen worden war, das aber dennoch voller Erinnerungen steckte.
    »Wisst ihr, was eure Mutter gesagt hat, als ihr Nonno gestorben war?« Mamma Carlotta blickte erst Carolin, dann Felix fragend an. »Ich hatte ihr erklärt, dass der Nonno nun im Himmel sei. Wie es der Zufall wollte, hingen die Wolken gerade sehr tief, bis ins Tal hinein, unser Berg war ganz in die Wolken eingehüllt. Und da sagte meine kluge kleine Lucia: ›Der Himmel ist nah, der Nonno ist also nicht weit weg.‹« Mamma Carlotta wischte sich über die Augen, drängte aber den Tränenstrom so lange zurück, bis Carolin neben ihr stand. Dann endlich hielt sie in jedem Arm ein Enkelkind und war gewappnet. »Der Himmel ist nah«, flüsterte sie. »Lucia wird immer in unserer Nähe bleiben.«
    Mamma Carlotta drückte die beiden so fest an sich, dass Felix aufstöhnte und Carolin sich kategorisch aus der Umklammerung befreite. Dass Lucia selten zu Besuch nach Umbrien gekommen war, hatte Mamma Carlotta insgeheim Erik angelastet. Und dass er seine Frau nur wenige Male begleitet hatte, war auf dem Platz ihres Dorfes ein nie endendes Gesprächsthema gewesen. Immer wieder hatte Carlotta erklären müssen, warum ihr Schwiegersohn sich in Italien wie ein Fremder fühlte, und ihn verteidigt, weil man doch von einem Menschen, der in der eiskalten Nordsee lebte, nichts anderes erwarten konnte. Auf die Frage, warum Erik dennoch Lucias Liebe gewinnen konnte, war ihr allerdings nie eine Antwort eingefallen. Wenn sich aber jemand erkundigte, ob Lucia mit Erik glücklich geworden sei, gab es für Mamma Carlotta nur eine richtige Antwort: »Sì!« Nicht, dass sie es wirklich verstanden hätte, aber nie war in ihr ein Zweifel gewesen, dass Lucia an Eriks Seite auf Sylt ihr Glück gefunden hatte.
    »Ich muss Hausaufgaben
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