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Die Tochter des Kardinals

Die Tochter des Kardinals

Titel: Die Tochter des Kardinals
Autoren: Stefan Fandrey
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einen Menschen damit töten.«
    Blitzschnell zog Anatol ein Messer hervor. In einer schnellen Bewegung schnitt er dem Apotheker ein Ohr ab. Blut spritzte, und das Opfer schrie schmerzerfüllt auf. »Ich habe weder die Zeit noch die Absicht, länger mit Euch zu sprechen«, sagte Anatol. »Gebt mir den Saft, und ich verschone Euer Leben.« Er zielte mit der Messerspitze auf das Herz des Apothekers.
    »Gut, gut«, sagte dieser mit vor Angst weit aufgerissenen Augen. Anatol hielt ihm eine Hand hin und half ihm auf.
    Der Apotheker ging zu einem Regal, in dem unten eine schwarz eingefärbte Karaffe stand. Anatol blieb dicht hinter ihm, jederzeit bereit, mit dem Messer zuzustechen.
    »Hier ist, was Ihr sucht«, sagte er und stellte die Karaffe auf den Tresen.
    Anatol zog den Korken heraus und roch daran. Ein bitterer Geruch drang in seine Nase. Er nahm eine Schale, schüttete das Pulver darin auf den Boden und goss etwas von dem braunen Saft aus der Karaffe hinein. »Trink!«, befahl Anatol und hielt dem Apotheker die Schale hin.
    Der Apotheker sank flehend zu Boden. »Nein!«, stieß er hervor. »Das könnt Ihr nicht von mir verlangen!«
    Anatol holte aus, und schon landete das zweite Ohr auf dem Boden. Erneut schrie der Apotheker auf. Anatol setzte ihm das Messer an den Hals. »Ihr habt die Wahl: Entweder ich schlitze Euch die Kehle auf und Ihr verblutet wie ein Schwein, oder Ihr trinkt von dem Saft und findet ein schnelles Ende.«
    »Heilige Mutter Gottes«, jammerte der Apotheker. Tränen traten aus den rot geäderten Augen. »Habt doch Erbarmen mit einem alten, kranken Mann.«
    »Jetzt trinkt endlich!«, forderte Anatol.
    Der Apotheker bekreuzigte sich dreimal. Dann nahm er die Schale und leerte sie in einem Zug.
    Anatol trat zwei Schritte zurück. Gespannt beobachtete er, was nun geschah.
    Anfangs saß der Todgeweihte nur weinend auf dem Boden. Doch schließlich begann er, am ganzen Leib zu zittern. Das Zittern wurde immer stärker. Der alte Mann bekam Krämpfe, seine Gliedmaßen zuckten. Er schien wie vom Teufel besessen, ruderte mit den Armen, trat mit den Beinen um sich, ruckte mit dem Kopf. Schaumiger Speichel quoll aus seinem Mund. Plötzlich griff er sich an den Hals und röchelte. Nach Luft schnappend, strampelte er noch heftiger. Mit hervorquellenden Augen blickte er seinen Mörder an. Das aufgedunsene Gesicht verwandelte sich in eine bläuliche Masse. Mit einem letzten Hecheln hauchte der Apotheker sein Leben aus.
    Zufrieden lächelnd nahm Anatol ein leeres Fläschchen, füllte es mit dem todbringenden Saft und verkorkte es. Ohne den Apotheker noch eines Blickes zu würdigen, steckte er das Fläschchen in seine Jacke und verließ die Apotheke.
    Auf der Straße schaute er sich um. Niemand schien sein Treiben beobachtet zu haben. So wandte er sich vergnüglich pfeifend um und ging den weiten Weg zurück zu seinem Haus.
    Am übernächsten Tag erwachte Anatol mittags aus einem traumlosen Schlaf. Er gähnte laut, kleidete sich an und wusch flüchtig sein Gesicht. Müde schaute er aus dem Fenster. Die Sonne brannte auf ihn herunter. Vögel sangen in den wenigen Bäumen, und Zikaden zirpten in den Büschen um sein Haus herum. Es roch nach Schweiß und Unrat. Er wandte sich ab. Die leeren Weinflaschen aus der durchzechten Nacht räumte er beiseite und nahm ein kärgliches Mahl zu sich, bestehend aus Hirsebrei, trockenem Brot und einem Krug lauwarmen Wassers.
    Sein Blick fiel auf den großen Beutel, den Carafa persönlich gestern gebracht hatte. Es war nicht nötig gewesen, hineinzuschauen, denn er kannte den Inhalt. So nahm er zwei Pistolen, ein Pulversäckchen und eine Hand voll Kugeln, steckte alles in seine Hosentaschen und langte nach dem Beutel. Darin versteckte er das Fläschchen mit dem Schierlingssaft. Dann verließ er sein Haus.
    Er ging quer durch Torre di Nona, überquerte den Tiber auf der Ponte S. Angelo und ging hinauf bis zum Palazzo Altoviti. Zwei Gassen dahinter fand er die Taverne seines alten Freundes Aldo.
    Aldo, ein hochgewachsener Mann mit dem breiten Nacken und dem einfältigen Gesichtsausdruck eines Ochsen, stand vor seiner Taverne. Wütend streckte er die Arme in die Höhe und stritt lautstark mit seiner drallen Frau Galatea, die ihn von oben aus einem Fenster mit wüsten Schimpfworten bedachte.
    »Du versoffener Sohn eines Molchs!«
    »Aber Galatea«, rief Aldo versöhnlich zurück. »Täubchen, so beruhige dich doch. Alles wird wieder gut.«
    Galatea fletschte die Zähne und warf ihre
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