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Die Tochter des Kardinals

Die Tochter des Kardinals

Titel: Die Tochter des Kardinals
Autoren: Stefan Fandrey
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lösten sich aus der Starre. Sie fuhren herum, legten an und schossen ebenfalls. Das Feuer aus ihren Läufen erhellte den Gang für einen Wimpernschlag, als hätte ein Blitz eingeschlagen. Carafa war von einem Moment zum anderen verschwunden.
    Giulia, Giannozzo und die übrigen Männer folgten Geller in den Gang hinein. Sie brachten weitere Fackeln, die den Gang weithin erleuchteten.
    Geller hielt Heinrich in den Armen. Der Gardist hatte die Augen geschlossen. Sein Atem ging flach und stoßweise. »Er stirbt«, flüsterte Geller.
    Giulia kniete sich neben die Männer nieder. Sie legte eine Hand auf Heinrichs Stirn, die mit kaltem Schweiß bedeckt war, und betete leise.
    Das Leben wich rasch aus Heinrichs Körper. Noch bevor Giulia das Vaterunser beenden konnte, erschlaffte der junge Leib. Sie bekreuzigte sich. Die umstehenden Gardisten nahmen ihren Helm ab, während die Aussätzigen kurz ihren Hut lüfteten.
    »Verdammt!«, zischte Geller. Liebevoll strich er die Strähnen aus Heinrichs Gesicht. »Er war viel zu jung zum Sterben.«
    Giulia streichelte über Gellers Arm. Sie schwieg, denn es gab keine Worte, die die Trauer des Capitanos zu lindern vermochten.
    In die kummervolle Stille sagte Giannozzo: »Euer Verlust tut mir leid, Capitano. Doch wenn wir den Mord sühnen wollen, müssen wir weiter.«
    Langsam ließ Geller den toten Heinrich zu Boden gleiten. »Ihr habt recht«, sagte er. Dann gab er zwei Gardisten den Befehl, den Leichnam an die Oberfläche und in den Vatikan zu schaffen. »Brechen wir auf«, sagte er und sah den Männern hinterher.
    »Nur, wo ist Carafa hin?«, fragte Giulia.
    Geller kratzte sich ratlos unter seinem Helm. »Ich weiß es nicht«, sagte er. »Plötzlich war er wie vom Erdboden verschluckt.«
    »Vielleicht hat sich die Hölle aufgetan und ihn verschlungen«, warf Giannozzo ein. »Dies ist ohnehin sein Schicksal.«
    Geller beachtete ihn nicht. »Wir gehen weiter!«, befahl er. »Er kann sich kaum in Luft aufgelöst haben.«
    Rund zehn Schritte weiter kniete ein Gardist nieder und besah den Boden unter seinen Füßen. »Capitano!«, rief er Geller zu und deutete auf einen dunklen Fleck im Sand.
    Geller kniete sich neben ihn. Er fasste mit einem Finger in den Fleck. »Blut«, stellte er fest. »Zumindest eine Kugel hat ihr Ziel nicht verfehlt.«
    »Nun ist alles noch schlimmer«, sagte Giannozzo. »Fortan haben wir es mit einem verwundeten Tier zu tun.«
    »Nein«, erwiderte Geller. »Wir haben es mit einem verletzten Kardinal zu tun. Nicht mehr und nicht weniger.«
    Giannozzo zuckte mit den Schultern. »Wollen wir hier weiter stehen und Maulaffen feilhalten?«
    »Hierher«, rief einer der Aussätzigen ein Stück weiter hinten im Gang.
    Die Gruppe erreichte den Mann. Er deutete nach unten, wo ein Spalt klaffte. Etwa zehn Fuß darunter verlief ein Quergang.
    »Da muss er hinunter sein«, meinte Geller und sprang. »Hier ist ebenfalls Blut!«, rief er kurz darauf zu den anderen hinauf.
    Ohne zu zögern sprangen die Gardisten hinterher. Ihnen folgten Giannozzo und die Aussätzigen. Zum Schluss setzte sich Giulia auf den Rand der Spalte und schwang die Füße über den Abgrund. Geller stellte sich unter ihr hin und breitete die Arme aus. Sie ließ sich langsam immer weiter über den Rand gleiten, bis sie fiel. Geller fing sie auf, noch bevor ihre Füße den Boden berührten. Für einen Augenblick verschmolzen ihre Blicke miteinander. Verlegen schaute Giulia zur Seite und löste sich aus seinen Armen.
    Sie befanden sich auf einer kleinen Gabelung, von der drei Gänge abzweigten. Sogleich strömten sie aus, um nach weiteren Blutspuren auf dem Boden Ausschau zu halten. Gleich darauf war es so weit. Zwei Gardisten fanden in dem Gang, der nach links führte, frische Blutstropfen des Flüchtenden.
    Die etwa sechzig Männer und Giulia liefen in den Gang hinein. Vorbei an uralten vielfarbigen Bildern an Wänden und Decken und an den bleichen Gebeinen der Toten in den Wandnischen zu beiden Seiten. Immer tiefer brachte ihr Weg sie in die Katakomben. Weder Giulia noch einer der Gardisten wäre in der Lage gewesen, sie wieder an die Oberfläche zu führen. Ohne Giannozzo und seine Männer wären sie in diesem jahrhundertealten Irrgarten hoffnungslos gefangen gewesen.
    Seit einer Ewigkeit mussten sie jetzt schon den Blutstropfen gefolgt sein. Ein jeder schnaufte erschöpft bei jedem Schritt.
    Dann spürte Giulia Zugluft über ihr Gesicht gleiten. »Wo kommt der Luftstrom her?«, fragte sie
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