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Die Terranauten 071 - Der Jahrmillionen-Fluch

Die Terranauten 071 - Der Jahrmillionen-Fluch

Titel: Die Terranauten 071 - Der Jahrmillionen-Fluch
Autoren: Erno Fischer
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Augenblick erreichen …
    Der Tod eines Individuums versetzt ihn nur in eine andere Daseinsform: Aus dem Menschen wird wieder das, aus dem er besteht. Seine Materie, die sich selbst bewußt war, verliert durch den Tod und die dadurch erfolgte Wandlung diese Fähigkeit und …
    Die Stimme erlosch wie ein flackernder Kerzenschein im Herbstwind. Der Brocken war heran, und Chan de Nouille stand auf der Spitze eines gewaltigen Gebirgsmassivs. Am Fuße des Berges waren dampfende Täler. Sie spürte den Geruch von Natur, aber auch den Geruch von schneidender eisiger Kälte, die der Wind mitbrachte.
    Die ersten Schneeflocken rieselten herab aus dem wolkenverhangenen Himmel. Die Flocken kitzelten auf der Nase. Chan de Nouille hielt ihr Gesicht dem Wind entgegen. Flocken setzten sich auf ihre Lider, schmolzen rasch und sickerten wie Tränen über die geröteten Wangen.
    Sie hob die Hände an den Mund und schrie in die Bergwelt hinein. Tausendfach hallte ihr Echo wieder. Es rollte wie Donner, brachte wilde Bewegung in die schwebenden Schneeflocken, die allmählich alle Berge mit weißen Kappen versahen.
    Sturm kam auf, daß die Schneeflocken zu tanzen begannen und nicht mehr senkrecht herabschwebten, sondern wie Geschosse davonrasten.
    Auch Chan de Nouille wurde vom Sturm attackiert.
    Erschrocken kauerte sie sich nieder. Sie stützte sich mit den Händen auf das Gestein, aber dort, wo sie damit in Berührung kam, begann der schwarze Felsen zu zischen. Ein brennender Schmerz breitete sich in ihren Handflächen aus. Sie hob die Hände wieder und stierte darauf.
    Tiefe Brandwunden.
    Aber der Felsen war nicht heiß. War er denn mit einer Art Säure überzogen?
    Die Hände zitterten. Schneeflocken fingen sich darin und kühlten den Schmerz.
    Die nächste scharfe Windbö knallte in Chan de Nouilles Rücken wie ein Tritt. Sie suchte mit rudernden Armen nach Halt, den es jedoch nicht gab. Kopfüber kippte sie vom Gipfel.
    Sie wollte schreien, aber die eisige Luft preßte ihren Atem aus den Lungen.
    Und deshalb fiel sie schweigend und angesichts des ungeheuren Abgrundes beinahe majestätisch langsam hinunter. Die wallenden Nebel des Tales warteten auf sie wie Wattepolster, obwohl Chan de Nouille sich darüber im klaren war, daß der Aufprall alles andere als sanft erfolgen würde.
    Verzweifelt rang sie nach Atem, daß die Augen dick aus ihren Höhlen traten. Es nutzte nichts. Sie fiel weiter, drehte sich langsam um sich selber.
    Die Hälfte der Strecke hatte sie bereits geschafft.
    Ich werde den Aufprall gar nicht erleben! dachte sie auf einmal. Nein, ich werde vorher ersticken.
    Doch ihre Sinne blieben seltsamerweise wach. Sie hatte die Augen weit offen und konnte jede Phase ihres tödlichen Sturzes beobachten. Außerdem hatte sie sich mit der Unabwendbarkeit des Schicksals abgefunden. Das entsprach haargenau ihrem Charakter.
    Sie war ruhig und analysierte.
    War sie denn nicht die Große Graue? Sollte sie denn in Todesangst schreien wie jeder normale Mensch? Sie würde es abwarten, würde den Sturz in dieser merkwürdigen, fremdartigen Bergwelt analysieren, solange dies noch möglich war.
    Obwohl … Wie war sie eigentlich hergekommen?
    Sie stürzte mit dem Kopf nach unten, drehte sich langsam, bis sie zur Spitze zurückschauen konnte.
    Sie war erst wenige Meter tief gefallen, und der Sturz geschah so langsam, daß er überhaupt nicht gefährlich war!
    Irritiert runzelte sie die Stirn und blickte an sich hinab. Da, ein Felsplateau. Bald mußte sie es erreicht haben.
    Automatisch knickte sie die Beine ein wenig ein. Dann landete sie federnd.
    Kaum war das geschehen, hob sie den Kopf und blickte zum Himmel des Schwarzen Universums.
    Cantos, wo bist du? riefen ihre Gedanken.
    Irgendwo dort draußen war sein Gesicht. Das wußte sie auf einmal, weil allmählich die Erinnerungen wieder in ihr Bewußtsein fluteten.
    Die Illusion des Bordcomputers! dachte sie intensiv. Es ist alles nur eine verdammte Illusion, um mir die Überlegenheit der Genessaner vor Augen zu führen. Sicherlich schweben wir im Orbit um die Erde, und nichts hat sich ereignet. Alles war sinnlos, mein Lieber, hörst du? Alles war sinnlos. Mach endlich Schluß, oder setze mich wieder ab. Das Spiel zeigt keinen Erfolg.
    Du tust mir wirklich leid, Chan de Nouille, denn ich kann überhaupt nicht Schluß machen, denn dies ist kein Alptraum – weder ein künstlicher noch ein natürlicher –, denn dies ist die Wirklichkeit, das Schwarze Universum. Wie könnte ich deinen Geist
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