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Die Terranauten 070 - Das grüne Paradies

Die Terranauten 070 - Das grüne Paradies

Titel: Die Terranauten 070 - Das grüne Paradies
Autoren: Andreas Weiler
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umdrehte und aus schlaftrunkenen Augen in die Dunkelheit blickte, sah er in zwei leuchtende Augen.
    Vorsichtig erhob er sich, darauf bedacht, keine zu schnelle Bewegung zu vollführen. Die glimmenden Augen folgten seinen Bewegungen. Der Schnee, der auch in dieser Nacht wieder gefallen war, reflektierte das Licht der Sterne. Der Fremde erkannte die Umrisse des vor dem hohlen Baum kauernden Geschöpfes als dunklen Schatten auf weißem Grund.
    Er hatte keine Waffe.
    Er war nie auf den Gedanken gekommen, eine Waffe zu benötigen. Jetzt erinnerte er sich wieder, daß ihn die Heilerin gewarnt hatte.
    Doch das Wesen rührte sich nicht. Es starrte ihn nur aus seinen großen, schimmernden Augen an, grunzte noch einmal, grub seine hinteren Beinpaare in den Boden und katapultierte sich in einem gewaltigen Satz davon. Der im Bauminnern hockende Mann hatte für einige Sekunden den Eindruck, als hätte sich eine Stimme in seinem Innern gemeldet, eine Stimme, die nicht ihm selbst gehörte, sondern jenem Wesen, das nun in die Nacht davoneilte. Die Stimme war warm gewesen. Bald darauf schlief der Mann wieder ein.
    Am nächsten Morgen setzte er seine Wanderung fort. Ebenso am darauffolgenden. Und noch zwei weitere Tage. Das Grünland blieb hinter ihm zurück, machte erneut kargerem Land Platz, über das die Winde mit unentwegtem Heulen hinwegstrichen. Hier wuchsen nur verkrüppelte Bäume und Sträucher, die wenig Ansprüche an den Nährstoffgehalt des Bodens stellten. Der Mann schritt weiter. Einen Tag später erreichte er die Zone des ewigen Eises.
    War dies der hohe Norden, von dem die Heilerin gesprochen hatte? Sie hatte ihm gesagt, daß sie selbst noch nie so weit im Norden gewesen war. Darum hatte sie ihm nur einen geringen Teil des Weges beschreiben können. Selbst vom Grünland hatte sie nur gerüchteweise gehört. Und das lag schon weit hinter ihm.
    Von hier an wurde es schwierig. Seine Vorräte an Nahrung und Wasser gingen rasch zu Ende. Das Vorwärtskommen im Schnee war schwierig. Und der von Norden heulende Wind war wie ein immaterieller, unsichtbarer Riese, der sich allen seinen Bewegungen entgegenstemmte.
    Am späten Nachmittag dieses Tages erreichte er eine kleine Blockhütte, fast vollständig bedeckt von den Schneemassen. Sie duckte sich an die Hänge eines Gletschers, der über ihr und neben ihr gefährlich laut knirschte. Rauch kräuselte aus einem Vorsprung im Dach. Der Mann ohne Gedächtnis klopfte an die Tür. Schlurfende Schritte, Knarren, als sie geöffnet wurde.
    »Ich habe dich erwartet, Fremder«, sagte der Mann, der ihm entgegenblickte. »Komm herein, und sei willkommen.«
    Der Fremde trat ein. Wohlige Wärme schlug ihm entgegen, und er war froh, die dicke Pelzjacke endlich ablegen zu können.
    »Du hast auf mich gewartet? Wie konntest du wissen, daß ich komme, daß ich diesen Weg beschritt?«
    Der Mann lächelte. Der Fremde runzelte verwirrt die Stirn und versuchte, die Gesichtszüge seines Gegenübers zu erkennen. Doch wenn er sich darauf konzentrierte, verschwammen sie vor seinen Augen. Es war, als trüge sein Gastgeber eine Maske, die seine Züge immer dann bedeckte, wenn man daraufblickte.
    »Bist du der … Lenker?«
    Der Mann lachte. Es war ein sympathisches Lachen ohne falsche Scheu. Ein gewinnendes Lachen.
    »Nein, ein Lenker bin ich wahrlich nicht. Du mußt noch viel weiter hinauf in den Norden, wenn du zu ihm willst. Du willst ihm Fragen stellen, nicht wahr? Du willst wissen, wer du bist?«
    »Ja, aber woher …?«
    Der Mann schüttelte den Kopf. »Frag nicht. Ich weiß es. Ich weiß vieles. Ich weiß auch, daß du schon einmal Gelegenheit hattest, mit einem Lenker zusammenzukommen. Und doch hast du es vorgezogen, nicht zu warten. Du bist weitergezogen …«
    Ein Gedanke: im Herzen Rorquals, der Weltenbaum, das Feuer …
    »Schon damals«, fuhr sein Gastgeber fort, »hättest du Antwort auf viele deiner Fragen finden können. Vielleicht hättest du zu deinem wirklichen Ich finden können.«
    »Ich bereue«, sagte der Mann ohne Gedächtnis und neigte den Kopf.
    »Es geht nicht darum, daß du bereust oder dein eigenes Verschulden anerkennst. Es geht um mehr. Es geht um das Interkosmische Anti-Entropie-System, um die Waffe der Uralten. Es geht um eine Katastrophe. Und es geht um das Erbe der Macht.«
    »Was soll ich tun?«
    »Mit mir kommen.« Noch immer war das Gesicht seines Gegenübers ein verwischter Schemen. »Dich mir anvertrauen. Vorbehaltlos. Wir werden gemeinsam den Lenker aufsuchen. Er
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