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Die Sünde der Brüder

Die Sünde der Brüder

Titel: Die Sünde der Brüder
Autoren: Diana Gabaldon
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entscheiden, ob er Sir George entgegengehen oder weiter in der Bibliothek auf ihn warten sollte.
    »Der Heilige Josef«, sagte Grey übergangslos. »Das ist noch ein berühmter Stiefvater.«
    »Ach was«, sagte sein Bruder mit einem erneuten Seitenblick. »Und wer von uns beiden ist dann deiner Meinung nach …?«
    Ein Schatten fiel auf den Orientteppich - er gehörte zu einem Bediensteten, der in der Tür stand und sich verneigte.
    »Sir George Stanley, Mylord. Und Begleiter.«
     
    General Sir George Stanley war eine Überraschung. Zwar hatte Grey nicht ernsthaft mit Claudius oder dem Heiligen
Josef gerechnet, doch auch die Wirklichkeit war ein wenig… rundlicher als erwartet.
    Nach allem, was er gehört hatte, war der erste Ehemann seiner Mutter hochgewachsen und schneidig gewesen, während ihr zweiter Gemahl, Greys Vater, von der gleichen schlanken, hellhäutigen und muskulösen Statur gewesen war, die er auch beiden Söhnen vererbt hatte. Sir George gab einem den Glauben an das Gesetz des Durchschnitts zurück, dachte Grey belustigt.
    Der General war etwas größer als er selbst oder Hal und ziemlich stämmig. Er hatte ein rundes, fröhliches Gesicht, das gesund und arglos unter einer ziemlich schäbigen Perücke hervorschaute. Seine Gesichtszüge waren extrem unauffällig, abgesehen von seinen großen braunen Augen, die ihm eine freundliche, erwartungsvolle Ausstrahlung verliehen, als könnte er sich nichts Schöneres als die Begegnung mit seinem Gegenüber vorstellen.
    Er verbeugte sich zur Begrüßung, schüttelte dann aber beiden Greys fest die Hand, was bei Lord John einen Eindruck der Wärme und Aufrichtigkeit hinterließ.
    »Es ist zu gütig von Euch, mich zum Mittagessen einzuladen«, sagte er und lächelte erst dem einen, dann dem anderen Bruder zu. »Ich kann Euch gar nicht sagen, wie sehr ich diesen Empfang zu schätzen weiß. Umso peinlicher ist es mir, sogleich mit einer Entschuldigung zu beginnen - aber ich fürchte, ich habe Eure Gutmütigkeit noch weiter ausgenutzt, indem ich meinen Stiefsohn mitgebracht habe. Er ist heute Morgen unerwartet vom Land eingetroffen, gerade als ich im Aufbruch begriffen war. Da Ihr ja gewissermaßen Brüder sein werdet … dachte ich, Ihr würdet mir vielleicht verzeihen, dass ich mir die Freiheit herausgenommen habe, ihn mitzubringen.« Er lachte ein wenig verlegen und errötete; merkwürdig für einen Mann seines Alters und Ranges, aber sehr sympathisch, dachte Grey, der das Lächeln unwillkürlich erwiderte.
    »Natürlich«, sagte Hal, dem es sogar gelang, seine Worte freundlich klingen zu lassen.

    »Aber gewiss doch«, stimmte Grey ein. Weil er Sir George am nächsten stand, wandte er sich dann mit ausgestreckter Hand dem Begleiter des Generals zu und sah sich einem hochgewachsenen, schlanken, dunkeläugigen jungen Mann gegenüber.
    »Mylord Melton, Lord John«, sagte der General und legte dem jungen Mann die Hand auf die Schulter. »Darf ich Euch Mr. Percival Wainwright vorstellen?«
    Hal war verstimmt; Grey konnte die verärgerten Schwingungen spüren, die von ihm ausgingen - Hal hasste Überraschungen, vor allem, wenn sie gesellschaftlicher Natur waren -, doch er hatte im Augenblick für die Launen seines Bruders nur wenig Aufmerksamkeit übrig.
    »Euer Diener, Sir«, sagte er und ergriff Mr. Wainwrights Hand, während ihn das merkwürdige Gefühl überkam, ihm schon einmal begegnet zu sein.
    Sein Gegenüber spürte es ebenfalls; er konnte den leisen Ausdruck der Verwunderung im Gesicht des jungen Mannes sehen, eine winzige Bewegung seiner feinen, dunklen Augenbrauen, als fragte er sich, wo …
    Die Erkenntnis kam ihnen beiden zugleich. Seine Hand klammerte sich im selben Moment unwillkürlich um Wainwrights Finger, als auch dessen Griff fester wurde.
    »Zu Diensten, Sir«, murmelte Wainwright und trat mit einem Hüsteln zurück. Er streckte Hal die Hand entgegen, richtete seinen Blick aber noch einmal kurz auf Grey. Auch seine Augen waren braun, aber ganz anders als die seines Stiefvaters, dachte Grey, während der erste Schreck des Wiedersehens verging.
    Ihre Farbe war ein sanftes, leuchtendes Braun - wie Sherry Sack -, und sie waren sehr ausdrucksvoll. Im Moment glitzerten sie vor Belustigung über die Situation - und waren von demselben hochgradig persönlichen Interesse erfüllt, das Grey schon einmal in ihnen gesehen hatte, bei ihrer ersten Begegnung … in der Bibliothek des Lavender House.
    Auch bei dieser Gelegenheit hatte ihm Percy Wainwright
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