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Die Stunde des Verfuehrers

Die Stunde des Verfuehrers

Titel: Die Stunde des Verfuehrers
Autoren: ABBY GREEN
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würde die Wirkung des Weins abmildern, den sie zum Essen getrunken hatte. Es war ihr verblüffend leicht gefallen, sich mit Pascal zu unterhalten. Er war ein guter Zuhörer, charmant, interessiert. Interessant .
    Doch mit seiner nächsten Frage bereitete er ihrer Entspanntheit ein jähes Ende. „Was ist dann passiert? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihnen der Entschluss, die Scheidung einzureichen, leicht gefallen ist. Nicht bei diesem familiären Hintergrund.“
    Seine scharfe Beobachtungsgabe traf wie ein Pfeil mitten in ihr Herz. Dabei wusste er nicht einmal die Hälfte. Ihre eigene Familie kannte nicht die ganze Wahrheit.
    „Ich möchte lieber nicht über meine Ehe sprechen.“
    Pascal war versucht, Alana zu drängen, doch er sah auch, wie verkrampft sie auf einmal wieder dasaß. Während des Essens hatte sie sich mehr und mehr entspannt. Andauernd hatte er sich ermahnen müssen, nicht den Blick zu den sanften Rundungen ihrer Brüste, die sich so reizvoll unter der feinen Seidenbluse abzeichneten, wandern zu lassen. Er konnte immer noch nicht einschätzen, warum sie so versessen darauf war, ihren Körper zu verbergen. Seltsamerweise ließ ihr Verhalten sein Interesse an ihr nicht erlahmen. Das Gegenteil war der Fall.
    Aber wenn er sie jetzt bedrängte, würde er sie verlieren. Alana Cusack stellte hohe Anforderungen an seine Geduld. Also sagte sie mit einem offenen Lächeln: „Kein Problem.“
    Pascal ignorierte Alanas Proteste und bestand darauf, sie nach Hause zu bringen. Ihr kleines Cottage lag nur zehn Minuten vom Restaurant entfernt in einem der ältesten Viertel Dublins. Nur mit Mühe gelang es dem Fahrer, den großen Wagen durch die kleinen Gässchen zu steuern. An dem Platz vor ihrem Häuschen war endgültig Schluss. Parkende Autos machten jedes Weiterkommen unmöglich.
    Alana ergriff die Initiative und sprang aus dem Wagen. Doch Pascal reagierte blitzschnell und folgte ihr den schmalen Fußweg zur Haustür.
    Vor der Tür blieb sie stehen und wandte sich zu ihm um. Furcht legte sich über sie – mehr vor sich selbst als vor ihm. Ein heller Mond schien vom Himmel, die Luft an diesem Februarabend war kühl. Sie hob den Kopf und schaute in Pascals dunkles Gesicht. Wenn er sie jetzt küsste, so viel ahnte sie, würde sie nicht mehr die Kraft aufbringen, ihn aufzuhalten.
    Plötzlich zog er sich zurück. Unwillkürlich machte Alana eine Bewegung auf ihn zu. Seine Augen blitzten auf; ihre Reaktion war ihm nicht entgangen – und er wusste sie richtig einzuschätzen.
    Bevor sie ein Wort sagen konnte, hatte er ihre Hand ergriffen und an seine Lippen gehoben – genauso wie gestern Nacht auf der Party. Die altmodische Geste berührte und verwirrte sie. In ihrem Innern befand sich alles in wildem Aufruhr. Verlangen und Widerstand stritten um die Vorherrschaft. Und dann wandte Pascal sich um und ging zurück zu seinem wartenden Wagen. Entgegen aller Vernunft hörte Alana sich seinen Namen rufen. Er blieb stehen und drehte sich halb zu ihr um.
    „Ich … ich wollte mich für das Dinner bedanken.“
    Er kehrte zu ihr zurück. Einen Moment glaubte sie, er würde sie nun doch küssen. Panik und Vorfreude stiegen in ihr auf, aber er streckte nur die Hand aus und strich eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht. Auch das hatte er schon einmal getan. Im Wagen, auf dem Weg ins Restaurant. Diesmal jedoch überkam sie der Wunsch, ihre Wange gegen seine Handfläche zu schmiegen. Doch da hatte er seine Hand schon zurückgezogen.
    „Gern geschehen, Alana. Wir werden uns wiedersehen, das verspreche ich Ihnen.“
    Damit wandte er sich abermals um und schlenderte zum Wagen. Diesmal stieg er ein. Mit offenem Mund sah Alana dem abfahrenden Wagen nach.
    Ihr blieb keine andere Wahl, als sich die Wahrheit einzugestehen. Sie konnte sich noch so oft einreden, dass sie nicht an ihm interessiert war. Doch das war eine Lüge. Mit spielerischer Leichtigkeit durchbrach er die Mauer, die sie nach Ryans Tod um ihre Gefühle errichtet hatte. Ja, sie empfand sogar Enttäuschung, dass der Mann, den sie kaum vierundzwanzig Stunden kannte, sie zum Abschied nicht geküsst hatte. Die Fassade kühler Gelassenheit, hinter der sie sonst all die bitteren Enttäuschungen und zerbrochenen Träume verbarg, befand sich ernsthaft in Gefahr, zu zerbröckeln.
    Am nächsten Morgen, als Alana in ihrer winzigen Küche stand und eine Tasse Tee trank, glaubte sie, sich wieder völlig unter Kontrolle zu haben. Sie brauchte sich nur umzusehen. Hier, in ihrem
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