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Die Stunde der Zeitreisenden: Hourglass 1

Die Stunde der Zeitreisenden: Hourglass 1

Titel: Die Stunde der Zeitreisenden: Hourglass 1
Autoren: Myra McEntire
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oder hören können, was ich sehe oder höre. Also, wie kommt das?«, fragte ich, obwohl es offensichtlich war, dass er genauso einen Dachschaden hatte wie ich.
    »Sagen wir mal, meine Mom hat immer gesagt, ich hätte eine Menge Phantasiefreunde.«
    Ich legte den Kopf schief, um ihm besser ins Gesicht sehen zu können. »Es ist also schon so, seit du ein kleiner Junge warst?«
    Michael nickte. »Und bei dir?«
    »Seit vier Jahren.« Die Glocken verstummten nach dem zehnten Schlag, und die plötzliche Stille hatte etwas Gespenstisches. Zeit für einen Themenwechsel. Ausweichen und ablenken. »Tut mir echt leid, dass ich dich geschlagen habe.«
    »Es sei dir vergeben.« Er zwinkerte mir zu. »Mit so einem zierlichen Ding wie dir werde ich schon fertig.«
    Ich biss mir auf die Zunge. Diese Chauvisprüche würde ich ihm abgewöhnen müssen.
    »Wenn du mir hilfst, wie funktioniert das? Haben wir … Sitzungen oder so etwas? Was willst du mit mir machen?« Hoppla. Ein gefährliches Blitzen in seinen Augen. Ich räusperte mich. Ich musste auf meine Ausdrucksweise achten. »Ich meine für mich.«
    Das Blitzen verschwand nicht aus seinen Augen. »Als Erstes würde ich mir gern deine Geschichte anhören.«
    »Das ist einfach.« Als ob es einfach wäre, sich jeden Schrecken erregenden Augenblick noch einmal vor Augen zu führen. Als ob ich Lust dazu hätte, mich einem völlig Fremden schutzlos auszuliefern. Ich rieb mir den Nacken, dessen Muskeln sich verkrampft hatten.
    »Emerson.« Ich liebte die Art, wie er meinen Namen sagte. Oder vielleicht sah ich einfach gern, wie er die Lippen bewegte. »Ich weiß, das ist schwer für dich, aber ich will, dass du ehrlich zu mir bist. Du kannst mir vertrauen.«
    Offenbar wusste er nichts von der Regel, niemals jemandem zu vertrauen, der sagt: »Du kannst mir vertrauen.«
    »Mal sehen, wie es läuft. Wann fangen wir an?«, fragte ich.
    »Wie wär’s morgen?«
    Zu früh.
     
    Am nächsten Morgen zog ich meine Lieblingsjeans an, ein tailliertes schwarzes T-Shirt und meine bequemen schwarzen Converse-Turnschuhe. Sie gaben mir immer ein Gefühl von Entschlossenheit und Mut. Mein Haar steckte ich locker hoch und zupfte ein paar sonnengebleichte Strähnen heraus. Ich schminkte mich ein wenig sorgfältiger als gewöhnlich und betonte meinen makellosen Teint mit einem Hauch von Puder. Und alles nur für ein Frühstück mit Michael.
    Hmmm.
    Gemächlich durchquerte ich das Stadtzentrum und genoss die friedvolle Stille. Die Schwüle war noch nicht zurückgekehrt, und nach dem gestrigen Regen ahnte ich beinahe schon die klare Luft der bevorstehenden Herbstmonate. Ich hatte eine Schwäche für fallende Blätter, Heuwagenfahrten, Vogelscheuchen und ganz besonders für Halloween. Wer einen so gruseligen Alltag hat wie ich, für den geht’s an Halloween um nichts weiter als um riesige Berge von Süßigkeiten und Kürbislaternen – solange ich zuhause blieb, um die Tür zu öffnen. Keine meiner Visionen hatte je bei uns geläutet, und so fühlte ich mich ziemlich sicher, wenn ich mit einer Riesentüte Fruchtgummis vor dem Fernseher herumlümmelte, um mir die x-te Wiederholung des uralten Peanuts-Kürbisfilms anzuschauen.
    Michael und ich waren im Murphy’s Law verabredet, dem Buchladen-Café, das Lilys Großmutter gehörte. Diese Frau ist nicht nur eine Heilige, sie macht auch die wahnsinnigsten kubanischen Kaffeespezialitäten und Apfelempanadas, die so köstlich sind, dass sie eine Nonne zum Fluchen bringen. Die Location hatte nur einen Nachteil.
    Als ich Murphy’s Law am Abend zuvor vorgeschlagen hatte, war mir vor lauter Aufregung nicht in den Sinn gekommen, dass Lily während unseres Treffens ebenfalls dort sein könnte. Es blieb mir erspart, mir eine passende Geschichte auszudenken, denn ich traf sie auf dem Gehsteig. Offensichtlich hatte sie soeben das Haus verlassen und war auf dem Weg zur Arbeit, da sie ihre Kameratasche dabeihatte.
    »Hallo, Lily! Wie lief das Shooting?«
    Sie sah mich an und begann, rückwärts vor mir herzugehen. »Ganz gut. Bis auf die Fledermäuse, die er vergessen hat zu erwähnen. Und die Filmcrew. Wenigstens bin ich diesmal nur von einem Produktionsassistenten angebaggert worden.«
    »Wow, nur von einem Typen? Sieht so aus, als ob du bald keinen mehr vom Hocker reißt.« Lilys Chef arbeitete manchmal mit Dokumentarfilmern zusammen. Sie behauptete, dass viele von ihnen mehr Anspruchsklagen am Laufen hatten als das gesamte britische Königshaus. Und die meisten
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