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Die Stunde Der Jaeger

Die Stunde Der Jaeger

Titel: Die Stunde Der Jaeger
Autoren: Carrie Vaughn
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klang belustigt, was mich ärgerte.
    Â»Ja, genau, Theatralik. Das Posieren, das sich Zurechtmachen, die langatmigen Geschichten über romantische Liebe und Verführung, obwohl Gustaf hier in Wirklichkeit
wahrscheinlich nichts als ein naiver Jüngling gewesen ist, der übers Ohr gehauen wurde. Man nehme all die kleinlichen, meuchlerischen Machtspielchen, die in jeder Gruppe ablaufen, und multipliziere sie mit ein paar Jahrhunderten – das Ergebnis sind Leute, die zu sehr damit beschäftigt sind, ihre eigenen Egos zu streicheln und ihren Ruf auf Hochglanz zu polieren, als dass sie je den Antrieb fänden, die Weltherrschaft an sich zu reißen.«
    Gustaf sprach reserviert. »Bist du jemals einem Vampir begegnet?«
    Â»Ich kenne den einen oder anderen«, sagte ich. »Und es sind Individuen, genau wie jeder andere auch. Was wahrscheinlich der wahre Grund ist, weshalb sie nicht die Weltherrschaft angetreten haben. Sie würden es einfach nicht schaffen, sich auf etwas zu einigen. Habe ich nicht recht, Gustaf?«
    Ariel sagte: »Sue, du klingst ein klein bisschen verärgert über die ganze Angelegenheit. Warum denn?«
    Mit der Frage hatte ich nicht gerechnet. Eher hatte ich erwartet, dass sie längst zum nächsten Anrufer übergegangen wäre. Aber nein, sie war dabei nachzubohren . Sodass ich vor der Entscheidung stand: Sollte ich die Frage beantworten? Oder Schluss machen? Was würde sie mehr wie eine Idiotin aussehen lassen, ohne dass ich selbst wie eine wirkte?
    Auf einmal wurde mir klar: Ich hasste es, an diesem Ende der Radiosendung zu sitzen. Doch ich konnte jetzt nicht aufhören.
    Â»Verärgert? Nein, bin ich nicht. Das hier hat nichts mit Ärger zu tun. Sondern mit Sarkasmus .«

    Â»Aber mal im Ernst.« Ariel ließ nicht locker. »Unsere letzte Anruferin verehrt Vampire geradezu. Warum bist du so wütend?«
    Weil ich mitten im Wald festsaß und niemandem außer mir selbst die Schuld daran geben konnte. Weil ich irgendwann die Kontrolle über mein Leben verloren hatte.
    Â»Ich bin die Klischees leid«, sagte ich. »Ich bin es leid, dass so viele Menschen den Klischees aufsitzen.«
    Â»Aber du hast keine Angst vor Vampiren. Diese Wut rührt nicht von Furcht her.«
    Â»Nein«, sagte ich. Ich hasste die Unsicherheit in meiner Stimme. Natürlich wusste ich nur zu gut, wie gefährlich Vampire sein konnten, besonders wenn man einem persönlich in einem dunklen Zimmer über den Weg lief. Ich hatte es selbst erlebt. Sie rochen gefährlich. Und diese Frau hatte nichts Besseres zu tun, als für einen zu werben, als sei er ein verfluchter Menschenfreund.
    Â»Wovor hast du dann Angst?«
    Davor zu verlieren. Ich hatte Angst zu verlieren. Sie hatte ihre Sendung, und ich nicht. Eigentlich sollte ich die schwierigen Fragen stellen. Meine Antwort lautete: »Ich habe vor gar nichts Angst.«
    Dann legte ich auf.
    Ich schaltete das Radio aus, und es wurde still in der Hütte. Ein Teil von mir wollte es wieder einschalten und hören, was Ariel über meinen – beziehungsweise Sues – jähen Abgang zu sagen hatte und was Gustaf sonst noch über den angeborenen Edelmut von Vampiren von sich gab. Doch ich verhielt mich endlich einmal vernünftig
und ließ das Radio aus. Ariel und Gustaf sollten miteinander glücklich werden.
    Ich wollte schon das Handy wegwerfen, ließ es jedoch erstaunlicherweise bleiben. Ich war zu müde.
    Angst. Wer war sie schon, dass sie mir unterstellen konnte, ich hätte Angst? Sie war diejenige mit der Radiosendung. So einfach war das.
    Ich konnte nicht schlafen. Ein Teil von mir war ganz aus dem Häuschen vor Schadenfreude über den machtvollen Hieb, den ich meiner Konkurrenz versetzt hatte. Hm, machtvoller Hieb oder unbedeutender Streich? Ich hatte mich wie ein Kind aufgeführt, das mit Steinen nach dem Spukhaus wirft, und Ariel noch nicht einmal aus dem Konzept gebracht. Das nächste Mal würde ich es besser machen.
    In Wirklichkeit sah es so aus, dass ich mittlerweile zu Scherzanrufen gezwungen war, gefolgt von Schlaflosigkeit.
    Rennen. Ich sollte Rennen gehen.
    Ruhelosigkeit weckte Verlangen. Die Wölfin war wach und wollte sich nicht besänftigen lassen. Los, los …
    Nein.
    Normalerweise passierte Folgendes: Ich konnte nicht schlafen, und der nächtliche Wald lockte. Wenn ich erst einmal ein paar Stunden lang auf vier Beinen herumgerannt war, wäre
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