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Die Stunde Der Jaeger

Die Stunde Der Jaeger

Titel: Die Stunde Der Jaeger
Autoren: Carrie Vaughn
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ich gewiss so erschöpft, dass ich wie eine Tote schlief. Außerdem würde ich nackt im Wald aufwachen und wäre wütend auf mich, weil ich es so weit hatte kommen lassen. Ich hatte das Sagen, nicht jene andere Seite meiner selbst.

    Ich schlief in Jogginghose und Trägertop. Die Luft war trocken durch die Hitze und den Aschegeruch des Ofens. Kalt war mir zwar nicht, doch ich kuschelte mich in meine Decke und wickelte sie mir fest um die Schultern. Dann zog ich mir ein Kissen über den Kopf. Ich musste einschlafen.
    Vielleicht gelang es mir sogar ein oder zwei Minuten. Vielleicht hatte ich geträumt, doch ich konnte mich nicht daran erinnern. Im Gedächtnis geblieben war mir nur, dass ich mich durch Watte bewegte, versuchte, mir mit den Krallen einen Weg aus einem Labyrinth aus Fasern zu bahnen, weil etwas nicht stimmte, ein Geruch in der Luft, ein Geräusch, das nicht hierhergehörte. Obwohl ich nichts als den Wind in den Bäumen und gelegentlich das Knacken trockenen Holzes im Ofen hätte hören sollen, war da noch etwas anderes … raschelnde Blätter, Schritte.
    Ich träumte davon, wie eine Wölfin durch totes Laub auf dem Waldboden trabt. Sie ist auf der Jagd, und sie ist sehr gut. Sie hat das Kaninchen beinahe erreicht, bevor es davonstürzt. Es macht nur einen einzigen Satz, da springt sie darauf zu, beißt es, und es schreit, während es im Sterben liegt …
    Das Schreien des Kaninchens war ein schreckliches, hohes, herzzerreißendes, teekesselhaftes, pfeifendes Kreischen, das niemals von so einem liebenswerten flaumigweichen Wesen ausgestoßen werden sollte.
    Ruckartig setzte ich mich mit rasend klopfendem Herzen kerzengerade auf, sämtliche Nerven zum Zerreißen gespannt.
    Das Geräusch hatte nur eine Sekunde gedauert, nun
herrschte wieder Stille. Es war direkt vor meiner Haustür gewesen. Ich rang keuchend nach Atem und lauschte: der Wind in den Bäumen, zischende Glut im Ofen.
    Ich schlug die Decke zurück und stieg aus dem Bett.
    Leise, barfuß auf dem Holzboden, ging ich ins Vorderzimmer. Mein Herzschlag wurde einfach nicht langsamer. Vielleicht müssen wir davonlaufen, vielleicht müssen wir kämpfen. Ich krümmte die Finger, spürte unsichtbare Krallen. Wenn es sein musste, konnte ich mich verwandeln. Ich konnte kämpfen.
    Durch das Fenster hielt ich nach Bewegungen Ausschau, nach Schatten. Ich erblickte lediglich die Bäume jenseits der Lichtung, dunkle Gestalten mit einem Rand aus silbernem Mondschein. Langsam atmete ich ein, um die Gefahr vielleicht wittern zu können, doch der Geruch des Ofens war stärker als alles andere.
    Ich berührte die Klinke der Haustür. Eigentlich sollte ich bis zum Morgen warten, bis die Sonne schien und es sicher war. Doch etwas hatte auf meiner Veranda geschrien. Vielleicht hatte ich es bloß geträumt.
    Ich machte die Tür auf.
    Da lag es vor mir. Der Geruch von Blut und Galle schlug mir entgegen. Das Ding roch, als sei es ausgeweidet worden. Das Kaninchen lag ausgestreckt da, den Kopf zurückgeworfen, sein Fell an Kehle und Bauch war dunkel, verfilzt und aufgerissen. So wie es roch, hätte es eigentlich in einer Blutlache liegen müssen. Es roch noch nicht einmal nach Kaninchen – bloß nach Eingeweiden und Tod.
    Meine Nase juckte, meine Nasenflügel bebten. Ich – die Wölfin – konnte Blut riechen, das dickflüssige Blut eines
Tieres, das an tiefen Verletzungen gestorben war. Ich wusste , wie das roch, weil ich selbst schon Kaninchen solche Schäden zugefügt hatte. Das Blut war vorhanden, bloß nicht an dem Kaninchen.
    Ich öffnete die Tür ein Stück weiter und betrachtete sie.
    Jemand hatte mit Blut ein Kreuz auf die Außenseite meiner Haustür gemalt.

Drei
    Ich ging nicht mehr zurück ins Bett. Stattdessen legte ich zwei frische Scheite in den Holzofen, stocherte im Feuer herum, bis es hell aufloderte, wickelte mich in eine Decke und machte es mir auf dem Sofa bequem. Ich wusste nicht recht, was ich schlimmer fand: Dass jemand ein Kreuz aus Blut auf meine Tür gemalt hatte, oder dass ich keine Ahnung hatte, wer dahinter steckte. Ich hatte nichts gesehen, nach dem Todesschrei des Kaninchens nichts mehr gehört oder auch nur eine Spur Pfefferminzbonbon geschnuppert. Außerdem konnte ich mich nicht erinnern, ob ich den Kaninchenschrei nur geträumt oder ob ich ihn tatsächlich gehört hatte. Ob er echt gewesen und
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