Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Steinernen Drachen (German Edition)

Die Steinernen Drachen (German Edition)

Titel: Die Steinernen Drachen (German Edition)
Autoren: Oliver Kern
Vom Netzwerk:
aufrecht zu stehen. Der Boden wankte unter seinen Füßen. Er brauchte einige Sekunden, bis er erkannte, dass dies nicht nur an seiner Physis lag. Die Erde zitterte. Über dem Bergmassiv hingen wie festgeklebt dunkelgraue Wolken am Himmel, während im Tal noch die Sonne schien. Es regte sich kein Lüftchen. Außerhalb der Hochebene war die Zeit stehen geblieben. Khams Stimme erhob sich über die Senke. Die Bergrücken am Horizont begannen zu vibrieren. Wieder polterte Geröll, Steine und massive Felsbrocken von den Hängen und rutschten in die Ebene. Muränen schoben sich tosend in die Reisfelder und das milchige Wasser schwappte über die Terrassen. Chin wiegte sich in einem imaginären Takt, riss dann unvermittelt das Kleid von ihrem Körper und entblößte ihren nackten Leib. Die Sonne leuchtete auf ihrer hellen Haut. Über ihrem grazilen Rücken spannte sich der Drache und die nuancenreichen Rot- und Purpurtöne der Tätowierfarbe pulsierten unter ihrer Haut.
    Frank wurde schwindlig und diesmal lag es nicht an den tektonischen Bewegungen des Bodens. Er langte sich an die Stirn und stellte fest, dass er glühte. Das Schauspiel auf dem Opferfelsen begann immer mehr zu verschwimmen. Nur noch der Drachen auf Chins Rücken behielt klare Konturen. Khams Stimme wurde lauter und er schickte sich an, das Getöse der herabstürzenden Gesteinsmassen zu überschreien.
    „Das ist das Ende“, raunte Capitaine Xieng.
    „Es wird nicht funktionieren“, antwortete er. Trotz der Benommenheit in seinem Kopf, war ihm etwas eingefallen. Etwas, was ihm Ralf Wiegand mit auf den Weg gegeben hatte und mit dem er lange Zeit nichts anfangen konnte. Doch jetzt, in diesem Moment, während um ihn herum Berge in sich zusammenstürzten und sein Gehirn im Fiebersud brodelte, tat sich ein klarer Gedanke auf und zauberte den Hauch eines Lächelns auf seine spröden Lippen. „Sie haben den Drachen spiegelverkehrt tätowiert“, flüsterte er den zwei Laoten zu.
    Kwan Kham war gut zwanzig Meter von ihm entfernt und der Lärm der abrutschenden Berghänge war ohrenbetäubend. Doch er unterbrach seinen Sprechgesang und drehte sich in seine Richtung. Sein Mund stand offen, als hätte die zuletzt gesprochene Silbe vergessen, die Tür zuzumachen. Seine Augen waren weit aus den Höhlen getreten und rot unterlaufen, die Pupillen groß und glasig. Der Geheimdienstchef stand unter Drogen und er hatte gehört, was Frank gerade von sich gegeben hatte. Unter normalen Umständen hätte er dies als absurd und unmöglich angesehen, doch der Fieberwahn machte ihn empfänglich für außergewöhnliche Phänomene. Daher lächelte er einfach zurück.
    „Bring ihn rauf“, brüllte Kham und er bekam den Gewehrlauf in den Rücken gerammt. Ein kurzer, beißender Schmerz, dann taumelte er auf den Felsen zu. Mit müden, bleischweren Gliedern hievte er sich die Leiter hoch und erklomm umständlich den Altar. Schwer atmend richtete er sich auf, warf einen besorgten Blick in
    Leas Richtung und wankte dann auf den Minister zu. Nguyen zielte mit seiner Pistole auf ihn.
    „Ihr habt ganz schön Scheiße gebaut“, spöttelte er. „Den Drachen wird die gespiegelte Variante nicht gefallen.“
    Kham sah Chin und dann wieder ihn an. Beeinflusst durch die bewusstseinserweiternden Drogen wirkte seine Gestik mechanisch.
    „Woher sollte ich das wissen?“, stammelte Chin und bedeckte ihre nackten Brüste mit den Armen. Auch sie stand zweifelsfrei unter Psychopharmaka. Sekunden verstrichen. Die Erde tobte unter ihren Füßen und die tektonischen Schwankungen wurden stärker. Lange würden die Drachen nicht mehr in ihren steinernen Kokons verweilen.
    „Hol die andere her“, krächzte Kham und deutete auf Lea. Frank stellte sich dem Sumomann in den Weg. Nguyen schubste ihn einfach beiseite. Er stürzte hart auf den Fels und blieb benommen liegen. Aus den Augenwinkeln sah er, wie der Mann im schwarzen Anzug, Lea zu Kham schleppte. Doch da Nguyen nur einen Arm gebrauchen konnte, schaffte es die Prinzessin sich loszureißen. Sie stolperte auf ihn zu und legte ihm das Kind auf die Brust, ehe Nguyen sie wieder zu fassen bekam.
    Er umklammerte sein Baby und Lea landete vor Kham auf den Knien. Der Laote zerrte sie auf die Beine und riss ihr die Bluse vom Leib. Auch auf ihrem Rücken prangte der Drache, diagonal entgegengesetzt zu dem von Chin. Leas Drache legte seinen Kopf auf ihrer rechten Schulter ab und der stachelbewehrte Schwanz war um ihre linke Hüfte geschwungen. An mehreren
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher