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Die Stein-Strategie: Von der Kunst, nicht zu handeln (German Edition)

Die Stein-Strategie: Von der Kunst, nicht zu handeln (German Edition)

Titel: Die Stein-Strategie: Von der Kunst, nicht zu handeln (German Edition)
Autoren: Holm Friebe
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medialen Action bias zu entkommen, würde bedeuten, nicht über jedes hingehaltene Stöckchen zu springen, nicht immer sofort ein Statement parat zu haben und nicht in jeder Talkshow zu sitzen. Begreift man die Rolle des Spitzenpolitikers mit Demut und Vorsicht – das hat Angela Merkel schon richtig erkannt –, dann geht es beim Regieren letztlich um Schadensbegrenzung. Das Land regiert sich bis zu einem gewissen Grad ganz gut von allein, wenn ihm die Politik nicht andauernd mit verwegenen Initiativen und neuen Ideen dazwischenfunkt.
    Wenn es dann noch gelingt, während der Amtszeit das Potenzial der Situation richtig zu erkennen und ein paar gewichtige Steine ins Rollen zu bringen, dann ist schon viel gewonnen und der eigene Platz in den Geschichtsbüchern so gut wie gesichert. Es geht nicht darum, viel anzuzetteln, sondern weniges Großes zu bewirken. Wie überall läuft es auf den alles entscheidenden Unterschied hinaus: gut gemeint versus gut gemacht. Die Chancen, Letzteres zu erreichen, sind jedoch ungleich höher bei einem Politikstil sine ira et studio , ohne Zorn und Eifer. Wenn, wie Max Weber feststellte, Politik „das Bohren dicker Bretter“ ist, dann braucht es dafür Politiker, die gegen Zorn und Eifer immun sind. Es braucht mit einem schönen Wort, das Peter Sloterdijk ausgerechnet in Zorn und Zeit anbringt: „belastbare Langeweiler“. Sofort fallen einem Politikerfiguren wie Rudolf Seiters oder Hans Eichel ein – geborene Stein-Menschen.
    Eine weitereeinschneidende Empfehlung hält Mathias Binswanger, der Autor und Erfinder der Tretmühle des Glücks , für uns parat. In seinem neueren Buch Sinnlose Wettbewerbe zieht er gegen den aktionistischen Irrsinn zu Felde, den Wettbewerbsgedanken überall dort einzuführen, wo er nichts verloren hat. Bei funktionierenden Märkten, auf denen es darum geht, mittels Innovationen oder „Awesomeness“ die Gunst der Konsumenten für sich zu gewinnen, hat der Wettbewerb seine Berechtigung. Nicht jedoch bei der Grundversorgung, bei hoheitlichen Aufgaben und in Bereichen, wo kluge Menschen in Ruhe einer verantwortungsvollen und für die Gemeinschaft wichtigen Aufgabe nachgehen sollen: in der Wissenschaft sowie im Gesundheits- und Bildungswesen. Dort, so Binswanger, führt er „statt zu mehr Effizienz zur Produktion von immer mehr Unsinn“ und kostet alle Beteiligten Zeit, Kraft und Nerven.
    Es soll nicht alles so bleiben, wie es ist, aber gut gemeinten Unsinn mit negativen Folgen möge man uns doch bitte ersparen. Stein-Strategen im Politischen sind keine Betonköpfe. „Den Sozialismus in seinem Lauf, hält weder Ochs’ noch Esel auf“, glaubten die Top-Führungskräfte der DDR – und bekamen durch ihre Bevölkerung die Quittung. Sie hatten nicht auf den Eigensinn des Systems gehört. So wird es allen ergehen, die sich im Besitz ewiger Wahrheiten wähnen und zu große Pläne machen. Das hätten sie beim Staatsdichter Brecht nachlesen können.
    In der weltpolitischen Gegenwart wäre ein Schwenk von der atemlosen Kurzfristigkeit hin zu einer langfristigeren Orientierung alles in allem jedoch wünschenswert. Wir verweisen an dieser Stelle auf die Website der „The Long Now Foundation“ (longnow.org). Gegründet im Jahr 1996 als „very long term institution“ hat sich diese Organisation auf die Fahnen geschrieben, verantwortliches Denken in sehr großen Zeiträumen zu befördern. Diese Betrachtungsweise der Welt ist den Steinen sehr vertraut und genießt unter ihnen hohes Ansehen und große Sympathie.
Lifestyle of resilience
    Ohne ins kulturpessimistische Horn zu blasen, scheint das heutige Leben einer enervierenden Beschleunigung unterzogen zu sein – Hartmut Rosa spricht von „mehr Handlungsepisode pro Zeiteinheit“ –, woran die modernen Kommunikationstechnologien nicht ganz unschuldig sind. Die Folgen sind (obwohl das Fin de Siècle doch bereits hinter uns liegt) ein allgemeines Ennui, eine Dünnhäutigkeit und Gereiztheit, die es mit der Neurasthenie der letzten Jahrhundertwende durchaus aufnehmen kann.
    So schreibt Frank Partnoy in Wait : „Unter dem Einfluss der hohen Taktung modernen Lebens reagieren die meisten von uns tendenziell zu schnell. Wir wollen oder können uns nicht genug Zeit lassen, über die zunehmend komplexen Fragen des Timings nachzudenken. Technologie umgibt uns und beschleunigt uns. Wir fühlen den Druck Tag für Tag, sowohl bei der Arbeit als auch zu Hause.“
    Letztlich wird sich – diese Zukunftsprognose
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