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Die Staufer und ihre Zeit

Die Staufer und ihre Zeit

Titel: Die Staufer und ihre Zeit
Autoren: Dietmar Pieper , Annette Großbongardt
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Herrscher freikämpfen wollen, ist Barbarossa ohnehin der hässliche Deutsche. Der Kaiser lässt ihre Auflehnung brutal niedermetzeln. Gegen Ende seiner 38-jährigen Regentschaft kriselt seine Macht, da verhilft ihm sein
tragischer Tod in einem anatolischen Fluss, der ihn auf dem Kreuzzug ereilt, quasi zur Unsterblichkeit. »Ein solches Ende lässt sich gut als Märtyrertod im Kampf gegen die Muslime feiern«, meint Schneidmüller. »Das hat ihm ein Angedenken beschert, das letztlich alle Krisen überstrahlte.«
    Auch sein Enkel Friedrich stirbt im weit entfernten Reichsteil Italien, wo er aufgewachsen ist und auch die meiste Zeit seiner Regentschaft verbracht hat. Er war ein ferner Kaiser, jedenfalls für seine Untertanen im Nordreich, schon damals mehr Mythos als wirkliche Gestalt. Die Nachricht von seinem zunächst geheim gehaltenen Tod 1250 im apulischen Castel Fiorentina kommt so spät an im Reich, dass sogleich die Spekulation beginnt – vielleicht ist er gar nicht tot und hält sich nur versteckt? In Italien kursiert die Prophezeiung der Sibylle von Erythrea, die geweissagt hat, er werde zwar sterben, aber doch nicht tot sein. Die Menschen können nicht glauben, dass die politisch beherrschende Figur der letzten drei Jahrzehnte einfach so verschwunden ist. Der Kaiser sei mit großem Gefolge in den Ätna geritten, heißt eine der Legenden.
    Schon seit der Spätantike haben sich verzweifelte Menschen an dem Glauben an einen Endkaiser als eine Art Erlöser aufgerichtet, eine Tradition, die der westfränkische Mönch Adso im 10. Jahrhundert niederschreibt. Sie besagt, dass einmal ein Kaiser kommen wird, nach Jerusalem zieht, alle irdischen Feinde Christi besiegt und seine Krone in der Grabeskirche niederlegt. Dann beginnt das Jüngste Gericht. Vor allem der Verweis auf die Grabeskirche ist perfekt für Friedrich II., hat er sich doch dort 1229 mit der Krone Jerusalems geschmückt.
    Die Sehnsucht nach dem politischen Messias verstärkt sich noch, als mit dem Ende der Staufer das Land in die Wirren des sogenannten Interregnums stürzt – Schiller nannte sie später
»die kaiserlose, die schreckliche Zeit«. Aus der Verklärung der Vergangenheit erwächst Friedrich fast heilsgeschichtliche Bedeutung. »Die Rettergestalt eines kommenden Friedrichs aus dem Geschlecht der Staufer … bestimmte während des ganzen Mittelalters den Erwartungshorizont breiter Bevölkerungsschichten«, sagt der Historiker Klaus Schreiner.
    Sind die Zeiten schlecht, beflügelt das die Hoffnung auf einen Erlöser, etwa als 1347 bis 1352 die große Pest wütet. In der zeitgenössischen Chronik des Johann von Winterthur wird der neue Herrscher gar zu einem Gesellschaftsrevolutionär verklärt: »Dieser Meinung nach wird Friedrich wiedererweckt werden und an die Spitze seines Reiches zurückkehren; dann wird er arme Mädchen und Frauen reichen Männern zu Ehe geben und umgekehrt. Er wird die Nonnen und Laienschwestern verheiraten und die Mönche verehelichen. Den Unmündigen, Waisen und Witwen, denen alles und jedes geraubt wurde, wird er das Weggenommene wiedererschaffen und jedermann Gerechtigkeit widerfahren lassen.«
    So setzt sich das fort durch die Jahrhunderte. Selbst die massiven negativen Gegenbilder, die vor allem die Propagandisten des Papstes verbreiten, können dagegen nichts ausrichten. Sie verteufeln Friedrich als Vorläufer des »Antichristen«, der wie ein Untier dem Meer entsteigt, beschimpfen ihn als »Fürst der Tyrannei«, »Vernichter des Glaubens«, »Verderber der Welt«. Der papsttreue italienische Franziskaner Salimbene de Adam schreibt, Friedrich sei »ein unheilvoller und verworfener Mensch«, »ein verschlagener Mann, durchtrieben, geizig, ausschweifend, boshaft und jähzornig«. Doch es schwingt auch Bewunderung mit: »Wäre er ein guter Katholik gewesen, und hätte er Gott, die Kirche und seine eigene Seele geliebt, so hätte er wenige seinesgleichen unter den Herrschern der Welt gehabt.«

    Der messianische Volksglaube richtet sich zunächst klar auf Friedrich II., auch wenn es ein bisschen durcheinandergeht, wo er sich denn versteckt halte: Mal ist es der Untersberg bei Salzburg, mal Sennheim im Elsass, mal eine Grotte nahe Kaiserslautern – schließlich der Kyffhäuser. Doch dann, vom 15. Jahrhundert an, verdrängt Barbarossa seinen Enkel nach und nach aus der Rolle des kaiserlichen Erlösers. »Ohne diesen Wechsel hätte die Legende wohl kaum zum Nationalmythos der Deutschen werden können«, sagt der
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