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Die Staufer und ihre Zeit

Die Staufer und ihre Zeit

Titel: Die Staufer und ihre Zeit
Autoren: Dietmar Pieper , Annette Großbongardt
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Wilhelminische Reich die mittelalterlichen Ahnen. Die staufische Kaiserpfalz in Goslar wird restauriert, das Nationaldenkmal auf dem Kyffhäuser geschaffen, 1896 läuft ein großes Schiff vom Stapel, die »Barbarossa«. Als der Deutsche Kriegerbund, der spätere Kyffhäuserbund,
nach dem Tode Wilhelms I. 1888 einen Gedenkort für den preußischen Heldenkaiser sucht, ist der Kyffhäuser schnell Konsens. Schließlich habe, wie es der Schriftführer formuliert, »Kaiser Weißbart die Sage erfüllt und Kaiser Rotbart erlöst«.
    So schicken sich die Hohenzollern an, die Staufer als überlebensgroße Herrschergestalten abzulösen, wie schon ein Gedicht von Karl August Mayer (1870) zeigt: »Die Krone sendet der Stauf dem Zollern dort. In ihm hat Deutschland endlich gefunden seinen Hort. Mit starkem Arm zusammen, hat er das Reich gerafft. Indeß ich bei den Wälschen zersplittert meine Kraft. Ich war ein römischer Kaiser; Er wird ein deutscher sein.« Auch die krächzenden Raben sind nun verschwunden. In einer zeitgenössischen Karikatur sieht man, wie Barbarossa den Kyffhäuser abschließt, die Raben in einem Käfig. Auf der Tür steht: »Wegen Geschäftsaufgabe geschlossen!« Nun verschwindet Barbarossa auch nach und nach aus der Dichtung.
    Aber der Mythos hält sich. Selbst die Nationalsozialisten, die für das Kaisertum eigentlich nicht viel übrig haben, lockt doch der Duft des Germanischen, der die Staufer umweht. Die staufischen Helden werden »umstandslos in die neue, staatlich verordnete Geschichtskonzeption der Nationalsozialisten integriert«, so Görich. Da steigt dann, wie bei der Eröffnung des »Hauses der Deutschen Kunst« 1937, »in Rotbart, dem staufischen Kaiser, die germanische Kraft zur höchsten glanzvollen Würde«. Abteilungen der Hitlerjugend ziehen nun zu Sonnwendfeiern und Fahnenweihen auf den Hohenstaufen. »Barbarossas Geist lebt wieder, hat Millionen deutscher Volksgenossen ergriffen«, titelt die Göppinger Zeitung zum »1. Hohenstaufentreffen der Hitlerjugend« im Juni 1933.
    Akademiker wie der Historiker Richard Suchenwirth, Mitbegründer der NSDAP in Österreich, später Geschäftsführer
der Reichsschrifttumskammer in Berlin, helfen, die Staufer zu nationalsozialistischen Helden umzudichten. 1933 zur »Machtergreifung« veröffentlicht er »Zwölf Schicksalsgestalten der deutscher Geschichte«. Barbarossa erscheint darin als »herrliche ideale Königsgestalt«. Er und seine Gefährten, »welche Heldenreihe! Deutschland war selten so reich an großen Männern wie damals.« Bei ihm wird nun Hitler zum Erfüller der Sage: Der Kaiser werde wiederkehren, »wenn nicht mehr die Raben um den Berg flatterten. Nun – im Reiche tun sie es seit Hitlers Sieg nicht mehr. Der alte Barbarossa wird bald wiederkehren, wenn das Dritte Reich, Großdeutschland entsteht.«
    Es sind die Jahre des aggressivsten Staufer-Missbrauchs. Der Tiefpunkt ist mit der SS-Division »Hohenstaufen« erreicht und dem Überfall auf die Sowjetunion 1941 unter dem Namen »Unternehmen Barbarossa«. Hitler hatte ihn selbst ausgesucht.
    Auch der »Führer« pilgert zum Kyffhäuser, 1934 und 1939, er schaut sich die Ausgrabungen der mittelalterlichen Burg an, mit denen er den Reichsarbeitsdienst beauftragt hat. Die Halle im Denkmalsturm ist zu der Zeit mit Hakenkreuz-Fahnen geschmückt. In der Ecke stehen Urnen mit Erde der verlorenen Gebiete, erzählt der heutige Denkmalsleiter Ralf Rödger.
    Nach dem Krieg wollen örtliche Kommunisten im Osten des nun geteilten Deutschlands das Preußen-Denkmal sofort sprengen, doch die russische Besatzungsmacht zögert. Schließlich rettet DDR-Ministerpräsident Otto Grotewohl dem Reiterstandbild und Barbarossa den Kopf: »Eine Verschrottung des Kyffhäuser-Denkmals kommt zurzeit nicht in Betracht«, befindet er 1951.
    Wohl oder übel arrangiert sich die DDR mit der ungeliebten Gedenkstätte. Um sie wenigstens ideologiekritisch zu nutzen, werden Ausstellungen arrangiert, in denen der preußische Revanchismus gegeißelt und die NVA der Bundeswehr gegenübergestellt wird, berichtet Rödger, ein ehemaliger DDR-Bürger. Ein linientreuer Künstler wird beauftragt, einen Zyklus zu entwerfen, der die Weltgeschichte seit dem Mittelalter aus der Sicht des Arbeiter-und-Bauern-Staates darstellt: Das Bronzerelief hängt noch heute in der Fahnenhalle des Museumsturms.

    Barbarossa
    Von FRIEDRICH RÜCKERT
    Der alte Barbarossa
Der Kaiser Friederich,
Im unterird’ schen Schlosse
Hält er verzaubert sich.
    Er
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