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Die Stadt und die Sterne - Mit einem Vorwort von Gary Gibson

Die Stadt und die Sterne - Mit einem Vorwort von Gary Gibson

Titel: Die Stadt und die Sterne - Mit einem Vorwort von Gary Gibson
Autoren: Clarke Arthur C.
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verlassen.
    Vor jener ersten Erinnerung lag nichts. Eines Tages vielleicht würde dieses Nichts wiederkehren, aber schon die Vorstellung war zu entlegen, um seine Gefühle in irgendeiner Weise berühren zu können.
    Er wandte seine Gedanken wieder dem Geheimnis seiner Geburt zu. Es schien ihm nicht seltsam, dass er in einem einzigen Augenblick von den Mächten und Kräften geschaffen worden war, die auch alle anderen Dinge seines Alltagslebens erzeugten. Nein, das war nicht das Geheimnis. Das Rätsel, das er nie zu lösen vermochte und für das auch niemand sonst eine Erklärung hatte, war seine Einzigartigkeit.
    Einzigartig. Es war ein seltsames, trauriges Wort – genau so seltsam und traurig, wie es zu sein. Wenn es auf ihn angewendet wurde – er hatte es oft gehört, wenn ihn niemand in der Nähe vermutete –, schienen unheimliche Untertöne mitzuschwingen, die mehr als nur sein eigenes Glücklichsein bedrohten.
    Seine Eltern, sein Lehrer – jeder, den er kannte – hatten versucht, ihn vor der Wahrheit zu beschützen, als wollten sie unbedingt die kindliche Unschuld seiner lang andauernden Jugend bewahren. Doch wenn diese Begründung stimmte, würde sie bald nicht mehr zählen; in wenigen Tagen würde er ein vollberechtigter Bürger Diaspars sein, und dann durfte ihm nichts mehr vorenthalten werden, was er zu wissen begehrte.
    Warum, zum Beispiel, passte er nicht zu den Abenteuern? Von den vielen tausend Formen der Unterhaltung in dieser Stadt waren sie die populärste. Wer in ein Abenteuer eintrat, war nicht nur passiver Beobachter wie bei den rohen Vergnügen primitiver Zeiten, die Alvin gelegentlich ausprobiert hatte. Jeder war aktiv daran beteiligt und besaß – oder so schien es jedenfalls – einen freien Willen. Die Ereignisse und Szenen der Abenteuer waren zwar von inzwischen längst vergessenen Künstlern vorbereitet worden, aber sie hatten einen beachtlichen Spielraum. Man konnte sich mit seinen Freunden in diese Fantasiewelten begeben, jene Spannung suchen, die es in Diaspar nicht gab – und solange der Traum andauerte, war er nicht von der Wirklichkeit zu unterscheiden. In der Tat, wer hätte schon mit Sicherheit sagen können, dass Diaspar nicht selbst der Traum war?
    Niemand konnte jemals alle Abenteuer bis zur Neige kosten, die seit dem Beginn der Stadt erdacht und aufgezeichnet worden waren. Sie wirkten auf alle Gefühle und waren von einer unendlich mannigfaltigen Raffiniertheit. Einige, vor allem bei den ganz Jungen sehr beliebt, waren unkomplizierte Entdecker- und Abenteuerromane. Andere stellten sich als Erforschungen psychologischer Zustände dar, während wieder andere Übungen der Logik oder Mathematik waren, die fortgeschritteneren Geistern Vergnügen bereiteten.
    Aber obwohl die Abenteuer seine Freunde zu befriedigen schienen, ließen sie Alvin stets mit einem Gefühl der Schalheit zurück. Trotz all ihrer Farbigkeit und Spannung, ihrer ständig wechselnden Örtlichkeiten und Themen – es fehlte etwas.
    Jetzt wusste er, was es war: Die Abenteuer verharrten immer auf der Stelle. Die Leinwand, auf die sie gemalt waren, war immer viel zu schmal. Es gab keine großen Ausblicke, keine der hügeligen Landschaften, nach denen sich seine Seele sehnte. Und vor allem, es gab auch nicht die geringste Andeutung der Unermesslichkeit, in der die Heldentaten der Menschen tatsächlich stattgefunden hatten – der leuchtenden Leere zwischen den Sternen und Planeten. Die Schöpfer der Abenteuer waren von derselben merkwürdigen Angst befallen gewesen, die alle Bürger Diaspars beherrschte. Selbst ihre Abenteuer mussten sich im tiefen Innern abspielen, in unterirdischen Höhlen oder in hübschen schmalen Tälern, umgeben von riesigen Bergen, die alles andere ihren Blicken entzogen.
    Es gab nur eine einzige Erklärung: Vor längst vergangenen Zeiten, vielleicht sogar vor der Gründung Diaspars, war etwas geschehen, das nicht nur die Neugier und den Ehrgeiz des Menschen zunichtemachte, sondern ihn auch von den Sternen nach Hause trieb, wo er sich in der winzigen, geschlossenen Welt der letzten Stadt der Erde verbarg. Er hatte dem Universum entsagt und war in den künstlichen Mutterleib Diaspars zurückgekehrt. Der flammende, unbesiegbare Drang, der ihn einst über die Milchstraße hinaus zu den nebligen Inseln jenseits von ihr getrieben hatte, war völlig zum Erliegen gekommen. Seit unzähligen Jahrtausenden hatte kein Raumschiff mehr das Sonnensystem angesteuert; dort draußen, mitten unter den
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