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Die Stadt und die Stadt

Die Stadt und die Stadt

Titel: Die Stadt und die Stadt
Autoren: China Miéville
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Eingang, für jeden sichtbar, und dann, als er sah, dass die Kollegen auf ihn zukamen, ging er weg, aber die Art, wie er sich bewegt, seine Kleidung ... Sie können nicht sagen, ob er in Besźel oder in Ul Qoma ist.«
    »Stellt fest, ob er es noch nach drüben geschafft hat, bevor die Grenze dichtgemacht wurde.«
    »Tyad, hier trabt der Bär. Kein Mensch hat mehr Dokumente kontrolliert oder sich um den Computer gekümmert, deshalb wissen wir nicht, ob er über die Grenze ist oder nicht.«
    »Dann müssen Ihre Leute ...«
    »Sperren Sie die Ohren auf. Ich hatte meine liebe Not, ihnen wenigstens diese Würmer aus der Nase zu ziehen. Sie haben eine Scheißangst, allein ihn zu sehen und es zu melden könnte Grenzbruch sein, und ganz unrecht haben sie damit nicht, denn wissen Sie was? Genau das könnte ihnen passieren. Besonders angesichts der momentanen Lage. Ahndung ist allgegenwärtig, Ausnahmezustand, Tyad. Das Letzte, was jemand momentan riskiert, ist Grenzbruch. Sie werden nichts aus den Leuten herauskriegen, es sei denn, Bowden lässt durch eine Bewegung erkennen, dass er definitiv in Ul Qoma ist.«
    »Wo ist er jetzt?«
    »Woher soll ich das wissen? Sie riskieren keinen Blick. Sie sagen mir, dass er losgegangen ist. Einfach losgegangen, aber so, dass keiner sagen kann, wohin er gehört.«
    »Keiner hält ihn auf?«
    »Sie wissen nicht einmal, ob sie ihn sehen können. Dabei begeht er keinen Grenzbruch. Sie können ... sie können es einfach nicht beurteilen.« Pause. »Tyad?«
    »Verdammt, natürlich! Er hat abgewartet, bis jemand ihn sieht.«
    Ich ließ den Fuß auf dem Gas. Die Kopula war noch einige Meilen entfernt. Ich fluchte.
    »Was, Tyad, was?«
    »Das will er. Sie haben es selbst gesagt, Dhatt, er wird an jeder Grenze abgewiesen werden, von dem Posten der Stadt, in der er sich befindet. Und welche Stadt wäre das?«
    Mehrere Sekunden Stille. »Verflucht«, sagte Dhatt. So, wie die Dinge standen, würde niemand Bowden aufhalten. Konnte niemand Bowden aufhalten.
    »Wo sind Sie. Wie lange brauchen Sie noch bis zur Kopula?«
    »Zehn Minuten, aber ...«
    Auch er würde sich Bowden nicht in den Weg stellen. Dhatt mochte es gewaltig fuchsen, dass Bowden ihm durch die Lappen zu gehen drohte, doch er würde nicht riskieren, Grenzbruch zu begehen, weil er einen Mann sah, der sich womöglich nicht in seiner Stadt befand. Es lag mir auf der Zunge, ihm zu sagen, er solle es drauf ankommen lassen, ihm zu sagen, die Chancen stehen fifty-fifty, greif zu! Aber war das Risiko nicht doch zu groß? Ich wusste nicht, ob Ahndung ihn beobachtete. Konnte ich ihm garantieren, dass die Aktion keine schlimmen Folgen für ihn hatte?
    »Würden die Militsya ihn auf Ihre Anweisung hin verhaften, wenn er sich definitiv in Ul Qoma aufhält?«
    »Natürlich. Aber sie werden ihn nicht verfolgen, wenn sie ihn nicht sehen dürfen.«
    »Dann tun Sie's, Dhatt, bitte. Hören Sie, nichts kann Sie davon abhalten, einen kleinen Spaziergang zu machen, rein zum Vergnügen, oder? In Richtung Kopula, zum Beispiel, und dann ein wenig herumschlendern. Und falls es sich trifft, dass jemand, der zufällig da ist, wo Sie auch sind, zu erkennen gibt, er ist in Ul Qoma, könnten Sie ihn festnehmen, habe ich recht?« Niemand musste sich preisgeben, brauchte sich nicht einmal selbst einzugestehen, etwas Verbotenes zu tun. Solange keine Interaktion mit jemandem stattfand, dessen Aufenthaltsort ungeklärt war, konnte man glaubhaft leugnen, Grenzbruch begangen zu haben. »Bitte, Dhatt.«
    »In Ordnung. Aber! Aber gesetzt den Fall, ich mache einen verfluchten Spaziergang und jemand in meiner möglicherweise reinräumlichen Nähe befindet sich nicht zweifelsfrei in Ul Qoma, dann werde ich ihn nicht festnehmen.«
    »Moment. Sie haben recht.« Er sollte nicht, weil ich ihn drängte, in Schwierigkeiten geraten. Und vielleicht war Bowden doch noch auf die andere Seite gelangt und jetzt in Besźel. Dort hatte Dhatt keinerlei Befugnisse. »Gut. Machen Sie Ihren Spaziergang. Geben Sie Bescheid, wenn Sie bei der Kopula sind. Ich muss noch jemanden anrufen.«
    Ich trennte das Gespräch und wählte eine andere Nummer, auch diesmal ohne Länderkennung. Trotz der Uhrzeit musste ich es nur zwei Mal klingeln lassen, und die Stimme, die sich meldete, klang hellwach.
    »Corwi«, sagte ich.
    »Chef? Liebe Güte, Chef, wo sind Sie? Geht es Ihnen gut? Was ist passiert?«
    »Corwi, ich werde Ihnen alles erzählen, aber momentan kann ich nicht. Momentan möchte ich, dass Sie aktiv
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