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Die Spur des Verraeters

Die Spur des Verraeters

Titel: Die Spur des Verraeters
Autoren: Laura Joh Rowland
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beobachtete Sano, wie Ohira an der Eingangstür niederkniete, denn im ersten Moment hatte er befürchtet, der Kommandant wollte den Schmugglern zu Hilfe kommen. Doch die Unterbrechung riss Iishino aus seiner Lethargie. Er sprang auf und richtete die Pistole auf Sanos Gesicht. »Verschwindet!«, rief er. »Verschwindet!«
    Sano sprang zurück; vor Schreck war seine Kehle wie zugeschnürt. »Iishino …«, begann er.
    In den Augen des Dolmetschers lag jetzt wieder Trotz. »Ihr glaubt, Ihr könntet mich überlisten, nicht wahr? Aber ich bin zu gerissen, zu gerissen. Ihr werdet mich nicht verhaften, weil ich Euch töte!« Iishinos zitternder Finger legte sich um den Abzug.
    Wenngleich Sano dem eigenen Tod ins Auge blickte, flutete eine schreckliche Vorahnung wie eine Woge übel riechenden Wassers über ihn hinweg. Er riss den Blick von Iishino los, schaute zur Tür und sah, wie Kommandant Ohira sein Kurzschwert zog. Die Richter Segawa und Dazai kauerten hinter ihm, und die Schlacht tobte weiter.
    »Ohira!«, rief Sano. » Nein !«
    Mit einem Aufheulen, das nichts Menschliches mehr besaß, stieß Kommandant Ohira sich das Schwert tief in den Unterbauch. Der Geist aller Samurai mochte Ohiras schrecklicher Entscheidung Beifall spenden; denn durch den rituellen Selbstmord entging er der öffentlichen Hinrichtung und stellte seine Ehre wieder her; über Sanos Gewissen jedoch fiel ein schwarzer Schatten: Ohiras Selbstmord war ein weiterer Tod, den er zu verantworten hatte. Sano erkannte, dass er gehofft hatte, den Kommandanten irgendwie zu retten. Doch jetzt war nicht die Zeit, sich Schuldgefühlen hinzugeben; die Reue musste warten.
    Während Iishino gebannt den Todeskampf Ohiras beobachtete, sprang Sano vor. Seine Rechte schloss sich um Iishinos Handgelenk; seine Linke packte den Lauf der Pistole.
    »Lasst los, lasst los!«, kreischte Iishino.
    Als beide Männer um die Pistole kämpften, ruckte und schwenkte die Mündung heftig hin und her, ohne dass die Waffe sich auf Sano oder Iishino richtete. Der hagere Dolmetscher war kräftiger, als Sano erwartet hatte; Iishino erwies sich als ein Bündel sehniger, von Angst und Hass verstärkter Energie. Er stampfte und trat mit seinen holzbesohlten Schuhen, und greller Schmerz lähmte Sanos Beine, als er getroffen wurde. Kreischend wie ein Kind bei einem Wutanfall, rammte Iishino den Kopf vor die Brust des Gegners. Sano geriet ins Straucheln; verzweifelt versuchte er, die Pistole festzuhalten. Iishino spuckte ihm in die Augen. Der heiße Speichel blendete Sano. In einem verrückten Tanz drehten sie sich wild im Kreis. Schließlich gelang es Sano, die Waffe nach oben zu drücken, dass die Mündung zur Decke wies. Wenn er jetzt abdrücken konnte, war die einschüssige Waffe nutzlos …
    Doch Iishinos Finger lagen über dem Abzugsbügel. Als Sano versuchte, sie zur Seite zu drücken, beugte Iishino den Kopf vor und biss Sano in den Unterarm. Unwillkürlich löste Sano den Druck, den seine Finger auf die Waffe ausübten. Sofort drückte Iishino die Hände des Gegners mit solcher Kraft nach hinten, dass die Mündung sich direkt vor Sanos Augen befand.
    »Jetzt töte ich Euch!«, presste der Dolmetscher zwischen den Zähnen hervor, die rot von Sanos Blut waren. »Ich hasse Euch! Ihr und all die anderen habt mich zum Verbrecher gemacht!«
    Keuchend und mit letzter Kraft versuchte Sano, die Pistole zur Seite zu drücken und sie Iishino aus den Händen zu winden. Iishino verlor das Gleichgewicht. Sano rammte den Gegner mit dem Rücken gegen eine steinerne Säule, doch Iishino ließ die Waffe immer noch nicht los. Der kalte Stahl des Laufes streifte Sano an der Wange. Die Pistole war ein größerer Schrecken für ihn, als jede Schwertklinge es hätte sein können, egal wie gekonnt sie geführt wurde. Entsetzen durchflutete ihn, lähmte ihm die Glieder und drohte den unerschütterlichen Willen zu zerbrechen, den Sano sich als Samurai angeeignet hatte. Iishinos heiße, verschwitzte Finger umkrampften Sanos Hände, suchten nach dem Abzug. In seiner Verzweiflung zerrte Sano den Dolmetscher von der Säule weg, streckte das Bein aus und riss Iishino um.
    Der Dolmetscher stieß einen gellenden Schrei aus und stolperte nach hinten. Beide Männer stürzten zu Boden, wobei Sano auf dem Gegner landete. Der Aufprall jagte einen Pfeil aus glühendem Schmerz durch seinen Arm bis hinauf in die verletzte Schulter. Die Pistole steckte jetzt zwischen den Körpern der beiden Männer fest, wurde durch Sanos
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