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Die Spur des Verraeters

Die Spur des Verraeters

Titel: Die Spur des Verraeters
Autoren: Laura Joh Rowland
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Iishinos Blicke sich nach innen richteten, konnte Sano beinahe die Szene beobachten, die sich in den Augen des Dolmetschers spiegelte. »Alles war voller Blut … so viel Blut. Als ich Spaens Namen rief, rührte er sich nicht, antwortete nicht. Ich fing an zu weinen. Ich hatte ihn nicht töten wollen. Ich wollte ihn nur verletzen, so wie er mich verletzt hatte!«
    »Dann kam Abt Liu Yun zu mir. ›Werft Spaen ins Meer‹, sagte er, ›und behauptet, er wäre von Deshima geflüchtet‹. Hauptmann Nirin aber sagte: ›Wenn seine Leiche an die Küste gespült wird, kann jeder erkennen, dass er erschossen wurde. Und der Mord an einem Barbaren wird zu Folge haben, dass man aus Edo Beamte schickt, die Nachforschungen anstellen. Die wahrscheinlichsten Verdächtigen sind die Offiziere und Wachen auf Deshima – und Statthalter Nagai wird uns bedenkenlos opfern, um seine eigene Haut zu retten.‹«
    »Abt Liu Yun hat Spaen dann entkleidet und den Körper um das Einschussloch der Kugel herum mit einem Messer zerschnitten. Plötzlich fing er an zu fluchen und stach auf den Leichnam ein. Dann sagte er, dass er nur deshalb bei den Schmuggeleien mitgemacht hätte, um Jan Spaen zu töten. Er war schrecklich wütend, dass jemand anders ihm zuvorgekommen war. Hauptmann Nirin hat Liu Yun schließlich von dem Toten weggezerrt und die Leiche ins Boot gelegt. Ich nahm ein Kruzifix an einer Kette, das ich an die Christen hatte verkaufen wollen, und legte es Spaen um den Hals.«
    »Um den Verdacht auf die Christen zu lenken, falls Spaens Leiche gefunden wurde?«, fragte Sano rasch.
    »Nein. Ich habe meinem toten Freund das Kreuz umgehängt, damit er den Segen seines Gottes erhält.« Ein Schluchzer blieb Iishino in der Kehle stecken; die Mündung der Pistole wies jetzt zu Boden.
    Rasch !, sagte sich Sano. »Und Pfingstrose? Warum habt Ihr sie ebenfalls getötet?«
    »Eines Abends, als ich im Goldenen Halbmond war, hat sie mir mein Rechnungsbuch gestohlen. Später versuchte sie mich damit zu erpressen. Spaen hatte ihr verraten, dass dieses Buch ein Verzeichnis sämtlicher geschmuggelter Waren enthielt und dass die Namen aller Leute darin stehen, die mit dem Verbrechen zu tun haben. Pfingstrose wusste, dass ich mit christlicher Schmuggelware handelte. Als Ihr, sôsakan , der Hure dann von dem Kreuz erzählt habt, das man an Spaens Leichnam gefunden hatte, hat Pfingstrose sofort richtig vermutet, dass ich sein Mörder war, zumal sie von unserer Verbindung wusste, denn in der Nacht, als Spaen verschwand, sah sie mich in seinem Zimmer verschwinden und hat beobachtet, wie ich mit ihm zusammen davonging. Wenn ich nicht bezahlte, wollte Pfingstrose das Rechnungsbuch nach Edo schicken, und dann würde man mich hinrichten. Und Euch wollte sie irreführen, indem sie behauptete, Urabe sei auf Deshima gewesen. Pfingstrose hat sich diese Lüge ausgedacht, damit Ihr nicht den wahren Schuldigen findet, nämlich mich, bevor sie ihr Geld kassiert hatte. Deshalb habe ich sie getötet. Mir blieb keine Wahl.«
    Allmählich schlich sich Müdigkeit in Iishinos Stimme. Er sank auf die Knie, die Waffe in der schlaffen Hand, die Mündung noch immer auf den Boden gerichtet. »Ich wollte niemandem ein Leid zufügen. Die Dinge sind einfach … geschehen.«
    »Zum Beispiel, als Ihr die Villa niedergebrannt habt, in der ich gewohnt habe?«, sagte Sano, um auch dieses letzte Verbrechen in das Gesamtbild einzufügen.
    Iishino nickte traurig. »Ich wollte sichergehen, dass Ihr den Behörden in Edo nie eines meiner Verbrechen melden konntet. Ich hatte keine Wahl … keine Wahl.«
    Sano trat vorsichtig einen Schritt vor, dann noch einen, bis er nur noch den Arm hätte auszustrecken brauchen, um Iishino zu berühren. Beiläufig bemerkte er, dass Hirata und der oberste Richter Takeda bis auf Nirin und einen Wachsoldaten sämtliche Gegner ausgeschaltet hatten. Die Schwerter der Männer klirrten mit zunehmender Wildheit gegeneinander, als sie sich umkreisten und belauerten, etwa zwanzig Schritt von Sano entfernt. Mit ein wenig Glück konnte die Schlacht mit einem Sieg für Sano enden. Ein schneller Griff, und die Pistole war …
    »Halt! Geht nicht dort hinein!«
    Der Schrei, der an der Tür erklang, machte Sanos Konzentration zunichte. Auch Iishinos Kopf fuhr herum. Er und Sano beobachteten, wie Kommandant Ohira in die Halle kam. Keuchend und schwitzend folgten ihm die Richter Segawa und Dazai.
    »Er ist uns davongelaufen«, jammerte Segawa.
    Erstaunt und erleichtert zugleich
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