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Die Spur der verlorenen Kinder

Die Spur der verlorenen Kinder

Titel: Die Spur der verlorenen Kinder
Autoren: T.J. MacGregor
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will.«
    Sie ging aus dem Flur. »Ich … ich kann hier nicht bleiben.«
    Sheppard wollte sie nicht aus den Augen lassen, aber er erinnerte sich an das eigenartige Gefühl, das ihn überkommen hatte, als Goot und er hier drin gewesen waren. Er ging in die Küche und sah sich langsam um. Er entdeckte den Sicherungskasten, der in seiner Zeit das Déjà-vu ausgelöst hatte. Er öffnete ihn. Der Drecksack hatte den Strom zum Schuppen abgeschaltet. Er legte den Hauptschalter um und lief auf der Suche nach Mira nach draußen.
    Die anderen Polizisten durchstreiften den Wald, sie folgten offenbar Mira, und Fontaine kam auf Sheppard zugelaufen. »Sie sind Miras Freund.«
    »Wayne Sheppard«, sagte er und zeigte Fontaine seine Marke.
    »Joe Bob Fontaine. Gut, dass jemand vom FBI hier ist.«
    Er erinnerte sich, was Ross Blake ihm von Fontaine erzählt hatte, aber in dieser Situation entschied er sich, seine eigene Variante zu wählen. »Ross Blake lässt schön grüßen.«
    Fontaine runzelte die Stirn, als verstünde er, zumindest auf irgendeiner Ebene, was das hieß, dann schüttelte er den Kopf. »Hören Sie, ich weiß, dass hier irgendein komischer Scheiß abgeht, okay? Aber ich habe jetzt keine Zeit, das alles zu verstehen. Mira hat vor ein paar Nächten aus meiner Hand gelesen, sie hat gesagt, ich soll eine Weste tragen. Das habe ich getan, und es hat mir heute das Leben gerettet. Sie sind ein Freund von ihr, das reicht mir. Sie ist zum Schuppen gelaufen, auf der Suche nach etwas. Gehen wir.«
    »Wann ist der Hubschrauber hier?«
    »Er ist unterwegs. Er musste von Key West kommen. Er landet auf dem Parkplatz der Kirche unten am Hügel.«
    Der Wald schien unendlich viel dunkler als in jener Nacht, in der Sheppard und Goot in ihrer Zeit hier gewesen waren. Seine Schuhe quietschten über nasse Blätter und Piniennadeln, die Bäume erzitterten unter einem weiteren Windstoß. »Sheriff, hinter dem Schuppen befinden sich drei Gräber von anderen Kindern, die entführt wurden.«
    Fontaine guckte erstaunt, rief aber einem seiner Männer zu, er sollte die Spurensicherung verständigen. Sheppard hatte diesen Horror schon einmal durchlebt und brauchte keine Wiederholung. Er lief auf den Schuppen zu, er fragte sich, wie das die Ereignisse in seiner eigenen Zeit beeinflussen würde, die Ereignisse, die er bereits erlebt hatte. Er wollte gar nicht darüber nachdenken.
    Zwei Lampen brannten, und obwohl jetzt kalte Luft aus der Klimaanlage quoll, war die Luft im Inneren des Schuppens immer noch drückend heiß. Mira ging stumm durch das große Zimmer, die Hände ausgestreckt, sie berührte dies und das. Er unterbrach sie nicht, störte nicht. Er stand bloß da und sah zu, er wartete, dass sie etwas sagte.
    Vor dem Sofa kauerte sie sich hin und fuhr mit den Händen über die Kissen. Tränen traten in ihre Augen und rollten über ihre Wangen. Sie ging ins Bad und strich mit den Händen über die Tür, das Waschbecken, die Wanne, sie kroch über den Boden zu einem Schrank, ihre Hände bewegten sich die ganze Zeit, absorbierten, lasen. Ein blauer Fleck erschien auf ihrem Oberarm, materialisierte sich wie eine optische Täuschung. Ihre Unterlippe platzte auf, schwoll an. Er hatte das schon zuvor gesehen, wie sie die Verletzungen anderer Menschen übernahm. Diese Verletzungen aber begannen gleich wieder zu verblassen, sich zurückzubilden, dachte er, als sie zurück in den Hauptraum kam. Das war neu, das hatte er noch nie gesehen.
    Schließlich blieb sie stehen und sah zu ihm auf, als sähe sie ihn zum ersten Mal. Ihre Augen schimmerten, ihr Gesicht war entsetzlich blass. »Der Junge, Rusty. Er hat ihr geholfen, Shep. Er hat sie befreit. Und er hat ihr ein Messer gegeben. Sie kann sich verteidigen.« Ihre Stimme stockte. »Sie hat eine Chance.«

Neunundzwanzig
    Annie war wach, sie war bei Bewusstsein, und das schon seit einiger Zeit. Vielleicht war das Taschentuch, als sie irgendwann den Kopf gedreht hatte, von ihrer Nase und ihrem Mund gerutscht, vielleicht war das Chloroform verdunstet. Sie hatte keine Ahnung. Das Einzige, was sie wirklich interessierte, war: Wenn sie einatmete, dann atmete sie frische Luft.
    Ihr tat alles weh, ihr Arm war eingeschlafen. Sie konnte den Regen hören, die Scheibenwischer, sie fühlte, wie der Bus fuhr. Sie konnte auch Peters Hinterkopf sehen, und solange sie den sehen konnte, war sie in Sicherheit. Sie spürte das Klappmesser in ihrer rechten Tasche, ihre Rettung, ihre Rache. Aber sie konnte es mit der rechten
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