Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne.
Autoren: Lion Feuchtwanger
Vom Netzwerk:
Todesurteil erregte, hat er es sofort kassiert. Erst dann freilich, als sein Sohn Titus die Exekution bereits angeordnet hatte, so daß bei allem guten Willen der Widerruf des Urteils zu spät eintreffen mußte. Schlau hat er das gedeichselt. In solchen Dingen haben Titus und er sich immer ohne Worte verstanden. Fair haben sie sich benommen, einer gegen den andern. Von den Freuden der Herrschaft hat er dem Titus den größeren Teil gelassen. Dafür mußte der alle unangenehmen Maßnahmen auf die eigene Schulter nehmen, auf daß der Begründer der Dynastie nicht allzu unpopulär werde. Populär ist man sowieso nicht. Wenn man Vernunft anwendet, kann man schwerlich populär werden. Aber wenn eine Dynastie lange genug hält, dann wird sie vielleicht populär, selbst wenn sie vernünftig ist.
      Zweitausend mal dreihundertfünfundsechzig. Er kriegt es nicht mehr heraus. Und er muß doch dem Titus noch sagen, daß der auch den jüngeren Helvid erledigen soll, auch den Senecio und den Arulen, so klug und schweigsam sie sich halten, und noch eine ganze Reihe anderer philosophischer Herren von der Opposition. Man kann es sich jetzt leisten, durchzugreifen. Die Dynastie sitzt fest genug, und, der Sterbende lächelt listig, seine eigene Biographie kriegt keine Flekken mehr davon.
      Erledigt werden müssen die Burschen. Opposition ist ein großes Vergnügen für den, der sie macht. Aber man muß auch wissen, was man riskiert, und bereit sein, dafür zu zahlen. Wenn ihm nur das Sprechen nicht so schwerfiele. Er muß sich reiflich überlegen, ob er sein bißchen Atem für diese Weisung oder für ein anständiges letztes Wort verbrauchen soll.
      Schade, daß Titus keinen Sohn hat. Julia, seine Tochter, ist ein nettes Mädchen. Weiß, fleischig, ein angenehmes Stück Weib, und sie trägt ihre kunstvolle Frisur so, als ob wirklich Herkules ihr Ahnherr sei und nicht der Inhaber des Inkassobüros. Ein richtiger, handfester, römischer Weibertyp ist ja doch das Beste, in Gesellschaft sowohl wie im Bett. Und da können die alten Geschlechter mit einigem aufwarten, das muß man ihnen lassen. Bübchen hat keinen schlechten Geschmack gehabt, als er sich mit soviel Energie diese Lucia ins Bett holte.
      Es hat schwere Mühe gekostet, damals vor acht Jahren, den Titus von seiner Jüdin loszueisen. Hätte man ihn selber von seiner Cänis loseisen wollen, er hätte auch gebockt. Aber gewisse Dinge gehen nun einmal nicht. Dicke Steuern durchsetzen und gleichzeitig zu den Juden halten, das geht nicht, mein Lieber. Wenn man wirtschaftlich im Dreck steckt, dann muß man die Massen gegen die Juden loslassen. Von dieser Regel kann man nun einmal nicht ab. Manchmal hat der Junge den Blick seiner Mutter, jenes Vage, Wirre, Unverantwortliche, jenes, geradeheraus, ein wenig Verrückte, das ihn an dieser Domitilla immer erschreckt hat. Dazu hat er seinen aristokratischen Tick. Wahrscheinlich ist er nur deshalb so ungeheuer auf die Jüdin hereingefallen, weil sie aus altem Königsblut stammt. Hoffentlich läßt er sich jetzt nach seinem Tod nicht von neuem mit ihr ein.
      Ein stärkerer Wind weht, man hört ihn in der Eiche. Gute, alte Eiche. Sie hat sich bewährt. Es ist ein wenig frischer geworden, die edeln Gerüche, mit denen man Vespasian gesalbt hat, verwehen. Die Schweine haben sich in ihren Koben im Winkel zurückgezogen. Vespasian ist ein alter Bauer, es ist Abend und alles getan, er darf getrost sterben. Bis jetzt war eine leise Furcht in ihm, er werde noch einen Krampf kriegen und, vielleicht, sein kostbares Sterbekleid besudeln. Doch jetzt ist es sicher, daß ihm in den paar Minuten, die es noch dauern wird, nichts mehr passiert. Er wird seine Sache gut machen bis zuletzt. Wenn bei der Leichenfeier seine Väter und Urväter vor ihm einhergehen und seine Mutter und seine Großmutter, er darf sich mit ihnen sehen lassen. Alles, was seine Vorfahren geleistet haben, der. Bankmensch, der Mann vom Inkasso- und der vom Vermittlungsbüro und die tüchtigen Gutsbesitzer, von denen er von Mutterseite abstammt, alles das mündet in ihn ein wie Flüsse in ein großes Meer. Er hat das Gut gehalten, er hat es ausgezeichnet bestellt, es ist gediehen, es ist ein riesiges Gut geworden, es reicht über die See, es ist der Erdkreis geworden, das Meer ist nur ein Teil von seinem Gut, es reicht nach Asien, nach Afrika, nach England. Sein Gut heißt Rom.
      Nun aber ist es sehr dämmerig. Titus steht in der breiten Tür, die zum Hof hinausführt.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher