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Die sieben Häupter

Die sieben Häupter

Titel: Die sieben Häupter
Autoren: Tanja Belinda; Kinkel Richard; Rodik Ruben; Dübell Malachy; Wickenhäuser Mani; Hyde Tessa; Beckmann Horst; Korber Helga; Bosetzky Titus; Glaesener Rebecca; Müller Guido; Gablé Dieckmann
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Minnesänger.
    Mit einem großen Schritt trat er schließlich an die Tür der Dachkammer und riß sie auf. Die Kammer war leer. Die Sonne fiel durch das Fenster und tauchte den Raum in gelbes Licht. Thaddäus war für einen Moment wie geblendet, legte die Hand schützend über seine Augen.
    »Ludger? Ludger von Repgow?«
    Nichts. Keine Antwort. Wo war der Lump? Und wo war das Kästchen? Thaddäus durchsuchte die Kammer sorgfältig, wendete das Schaffell, durchwühlte das Stroh.
    Der Drache war verschwunden.
    Für die Dauer eines Wimpernschlages war es Ludger erschienen, als sei die Welt untergegangen. Es waren kurze, straffe Augenblicke in einzelnen Bildern, die sich in sein Gedächtnis gebrannt hatten: Das Holzpferd in Johanns Hand. Das Pulver, das auf der geschnitzten Mähne des Pferdes schimmerte. Die Flamme der Kerze. Johann, der Pferd und Flamme unbedacht zusammenbrachte. Der Junge, der zusammenzuckte, als er Vater Thaddäus erwähnte.
    Und dann der grelle Blitz. Das Zischen. Rauch und Dampf und Ruß.
    Ein paar versengte Haare, ein erschrockener Aufschrei Ottos, ein stotternder, völlig verdutzter Johann, aber nichts weiter. Er hatte den Buben das heilige Versprechen abgenommen, kein Sterbenswort über den Vorfall zu verlieren, und sie dann nach unten geschickt, in die Waschstube, bevor er sich mit Argusaugen und spitzen Fingern um den Drachen kümmerte.
    War das sein ganzes Geheimnis? Ein bißchen Rauch und Dampf? Und ein lautes Geräusch? Zuerst hatte er sich mit dieser beruhigenden Erkenntnis abgefunden, hatte sich ihr hingegeben wie einer Geliebten, die ihn umschmeichelte. Aber dann hatte das Mißtrauen wieder Oberhand gewonnen. Johann hatte nur wenig Pulver mit der Flamme in Berührung gebracht. Und das Pulver war nicht in diesem Kästchen gewesen. Was, wenn es eine Rolle spielte, wieviel Pulver es war? Und worin es lagerte?
    Es mochte sein oder auch nicht. Aber die Unkenntnis überdie wahre Natur des Drachen, dieses nagende Mißtrauen, in ein Komplott ungeahnten Ausmaßes verwickelt zu sein, nicht nur sich selbst, sondern auch Roswitha in den sicheren Tod zu reißen, sollte er noch einmal mit der Gewalt des Drachen spielen, ließen in ihm den Entschluß reifen, daß es Zeit wurde, in sich zu gehen.
    Am liebsten wäre er einfach hier in seiner Kammer auf die Knie gesunken und hätte Gott und alle Heiligen um Beistand angefleht, aber eine Kapelle schien ihm sicherer. Gedankenverloren versteckte er das Kästchen unter dem Schaffell auf seinem Bett, verließ seine Kammer und suchte die Hauskapelle auf.
    Der kühle Ort umfing ihn mit geheiligter Stille und dem Duft von Weihrauch. Ludger beugte seine Knie und sein Haupt, faltete die Hände, fühlte den kalten Stein und wollte im Gebet versinken, aber es gelang nicht. Er hörte das Wispern der betenden Mönche in seinem Rücken und warf einen flehentlichen Blick auf das Kreuz vor sich, das im schräg einfallenden Licht der Sonne aus sich heraus zu leuchten schien, ihm aber keine Antworten geben wollte. Dabei trug er so viele Fragen in sich.
    Was genau war in dem Kästchen verborgen? Enthielt es nur Rauch und Dampf und Ruß? Nein, es mußte teuflischerer Natur sein. Es hatte nach Schwefel gestunken, als Johann die Pulverspuren entzündet hatte.
    Ludger schloß die Augen, versuchte seine Fragen genauer zu formulieren, doch er konnte die eigenen Gedanken nicht entwirren.
    Vor allem der dämonische Gestank wollte ihm nicht aus dem Kopf. Ein Dämon der Hölle. So einfach war das. Und der Erzbischof würde den üblen Unterweltsodem mit Sicherheit nicht mit einer netten Überraschung verwechseln. Nein, es hatte durchaus seine Berechtigung, daß sie ihn, Ludger,geschickt hatten. Vater Thaddäus wollte ihn opfern. Er war der Bauer im Spiel. Das war er: nichts weiter als der Bauer.
    Ludger lachte heiser auf, schnaubte und öffnete die Augen. Mit einemmal sah er klar: Er hatte sich selbst in diese unmögliche Lage manöviert. Er selbst. Sein Techtelmechtel mit Irmgard, sein jungenhaftes Wesen, wenn es um Schönheit und weiche Rundungen ging, sein romantisches Gemüt. Das alles zusammengenommen hatte ihn zu einer Schachfigur im teuflischen Spiel von Vater Thaddäus und Graf Heinrich werden lassen.
    Und dann war da noch Roswitha. Geliebtes, fernes Wesen. Er mußte sie befreien. Um ihretwillen mußte er einen Ausweg finden. Er schlug das Kreuzzeichen über seiner Brust und verließ die Kapelle.
    Das beste war, sich erst einmal unsichtbar zu machen, in der Menge einzutauchen,
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