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Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos
Autoren: Suzanne Frank
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zischelte Vena.
    Zu verträumt, um daran zu denken, dass sie Vena hasste, stimmte Ileana ihr zu.
    »Er ist als Pflegesohn hier. Er heißt Priamos und ist der jüngste Sohn aus Troi.«
    »Es will mir nicht in den Kopf, wozu wir die Brut unserer Feinde großziehen«, sinnierte Ileana.
    »Nun, wenn eine Herrin von deinem Stand und deinen Sommern das nicht weiß, wird wohl nur wenigen von uns diese Weisheit zuteil werden«, feixte Vena.
    Schlagartig fiel Ileana wieder ein, dass diese anmaßende Muschelsucherin aus Milos zu ihren Rivalinnen zählte. Sie lächelte zuckersüß. »Meine arme Kleine, zügle deine Gelüste nach einem jüngeren Sohn, dadurch bereitest du deiner Sippe Schande. Ich weiß, dass du gegenwärtig an dir zweifelst - an deinen Reizen, deinen Fähigkeiten -, es ist bestimmt nicht leicht mit anzusehen, wie der Geliebte die Flucht ergreift.« Ileana ließ sich von Venas wütendem Gestammel nicht aus dem Konzept bringen. »Doch ich trete dir zu nahe. Ich weiß es nicht. Mich hat noch nie ein Mann sitzen gelassen.«
    Venas rosiges Gesicht war zornfleckig. »Ich könnte Nestor zurückbekommen!«
    »Er ist bis nach Kemt geflohen, um dir zu entkommen! Och!« Ileana legte in gespieltem Kummer die Finger an die Lippen. »Es tut mir Leid. Welche Mär streust du allenthalben? Er hätte sich für den guten Phoebus freiwillig auf eine diplomatische Mission begeben, ist das richtig?«
    »Ich könnte jeden Mann an jedem Gestade des gesamten Imperiums bekommen!«
    Ileana setzte ihren Rhyton an die Lippen. »So wie die Männer beschaffen sind, ist es keine große Kunst, einen zu bekommen.« Sie nahm einen Schluck Wein und genoss den pfeffrigen Biss des hineingerührten Oreganos und Thymians. »Sie zu halten hingegen schon.«
    »Ich kann verstehen, dass du das nach neunzehn Sommern der Ehe mit Hreesos so siehst. Sag, Kela-Ileana, hat er mehr als ein einziges Mal auf deiner Liege geschlafen?« Vena drückte bei ihrer Antwort den Rücken durch und stellte ihren Körper in einer Pose zur Schau, die noch zwei Tische weiter jedes Gespräch verstummen ließ.
    Ileana lächelte kühl und bedacht, keinerlei Gefühl in ihrer Miene zu verraten. »Hreesos, der Goldene Stier und mein Gemahl, mag eine Reihe -«
    »Eine lange Reihe -«
    »- von Kühen bestiegen und begattet haben ... doch er ist jedes Mal zur heimatlichen Krippe zurückgekehrt.«
    Vena, deren dunkelblaue Augen sich vor Zorn schwarz färbten, ballte die Fäuste. Sie würde keine leichte Gegnerin abgeben, erkannte Ileana. Sie war schön, gesund, Olympierin und hatte als Muschelsucherin die richtige Vergangenheit. Wie konnte Ileana ihr Einhalt gebieten?
    »Herrinnen, ihr bringt mit euren Worten die Luft zum Knistern.« Ungerührt und graziös wie eine schwarze Katze ließ sich der Sprecher zwischen den beiden Frauen nieder.
    »Du stinkst bereits nach Traube«, bemerkte Vena scharf, wobei sie die kastanienbraunen Locken über die Schulter zurückwarf.
    Er grinste. »Schließlich stamme ich von der Traube ab.« Er senkte die Stimme und bellte: »Dion Bacchi, Erbe der Sippe des Rebstocks!« Er beugte sich vor und setzte einen Knutschfleck auf Venas Busen. »Außerdem hast du, als du während der letzten Zeit des Löwen unter mir gelegen und mit mir Trauben gepresst hast, immer wieder gejubelt: >Ach, Dion!<«, trillerte er im Falsett. Nachdem er das Gelächter der Höflinge mit einem schelmischen Lächeln quittiert hatte, nahm er einen Schluck aus Ileanas Rhyton und drehte ihn dann, damit sie von derselben Stelle trank. »Wenn wir uns allerdings über den Geruch unterhalten wollen, den ich mit diesem Erlebnis in Verbindung bringe, würde ich meinen, er war eher fisch-« Vena versetzte ihm eine Ohrfeige und marschierte zu Arus zurück. Die Höflinge nahmen ihre Unterhaltung wieder auf, und Dion streckte
    sich zu Ileanas Füßen aus.
    »Wo ist Sibylla?«, fragte sie. Es war immer gut zu wissen, was die Rivalinnen trieben.
    Dion langte nach oben und schnappte sich eine auf einen Rosmarinzweig gespießte Garnele von ihrem glasierten Teller. »Du weißt genau, dass sie euch beide verabscheut.«
    »So wie du?«
    Sein Lächeln war betörend und brachte die strengen Linien in seinem Gesicht zum Schmelzen. Schnurrend wie eine Katze antwortete er: »So wie ich, Ileana. Aus tiefstem Herzen.«
    Dion entsprach dem aztlantischen Ideal - groß, breitschultrig, mit Wespentaille und schwarzem Haar, das ihm bis auf den Rücken reichte. Seine großen, dunklen Augen waren tief wie ein
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