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Die Seemannsbraut

Die Seemannsbraut

Titel: Die Seemannsbraut
Autoren: Alexander Kent
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es erwarten konnte. Hoch oben im schwarzen Gewirr der Stage, Pardunen und festgemachten Segel bewegten sich perspektivisch verkürzte Gestalten und sicherten eifrig alles.
    Einige der Leutnants gingen dem Admiral aus dem Weg, als er übers Achterdeck schritt, um herunterzuschauen auf die Reihen der Achtzehnpfünder, welche die Originalbatterie der Zwölfpfünder ersetzt hatten.
    Geisterhaft tauchten Gesichter vor ihm auf, Kanonendonner übertönte die gebrüllten Anweisungen und das Geklapper der Blöcke. Die Decks schienen durch Einschläge wieder wie von Riesenkrallen zerkratzt. Darauf Männer, die fielen und starben und nach Hilfe flehten, wo es keine gab. Sein eigener Neffe Adam, damals vierzehn Jahre alt, mitten drin, bleich und doch wild entschlossen, als die kämpfenden Schiffe zu einem letzten Ringen zusammenprallt en.
    Havens Stimme riß Bolitho aus seinen Erinnerungen.
    »Das Boot lieg bereit, Sir.«
    Bolitho wies an ihm vorbei. »Wieso haben Sie keine Windhutzen aufriggen lassen, Kapitän?«
    Warum konnte er es nicht über sich bringen, Haven mit Vornamen anzureden? Was war mit ihm los?
    Der zuckte mit den Achseln. »Sie sind von Land aus kein schöner Anblick, Sir.«
    »Aber sie fuhren den Leuten in den Batteriedecks frische Luft zu. Also hoch damit.«
    Er gab sich Mühe, seinen Ärger zu unterdrücken, daß Haven nicht der Backofenhitze in den übervölkerten Decks Rechnung trug. Die
Hyperion
war hundertachtzig Fuß lang und trug eine Besatzung von sechshundert Offizieren, Matrosen und Seesoldaten. In dieser Hitze mußten sie sich wie doppelt so viele vorkommen.
    Er sah, wie Haven dem Ersten Leutnant die Anordnung kurz weitergab. Letzterer warf Bolitho einen dankbaren Blick zu. Frische Luft!
    Der Erste war auch so ein komischer Vogel. Mit über dreißig etwas alt für seinen Rang, war er schon Kommandant einer Brigg gewesen. Als man die Brigg auflegte, wurde seine Ernennung nicht bestätigt, man stufte ihn auf den alten Dienstgrad zurück. Er war schlank und im Gegensatz zu seinem Kommandanten ein Mann von sichtbarem Eifer und Enthusiasmus. Sein gutes, zigeunerhaftes Aussehen erinnerte Bolitho an ein Gesicht aus der Vergangenheit, er wußte nur nicht, an welches. Bei seinen Untergebenen war er anscheinend beliebt und alles in allem jene Sorte Offizier, der die Fähnriche nachzueifern strebten.
    Unterhalb des schön geschwungenen Bugsprits waren die breit en Schultern der Galionsfigur zu sehen. Sie hatte sich ihm eingeprägt, als er das Schiff in Plymouth verlassen mußte.
Hyperion
war damals so angeschlagen und beschädigt gewesen, daß er sich kaum vorstellen konnte, wie sie davor ausgesehen hatte. Nur die Galionsfigur erzählte eine andere Geschichte.
    Ihre Goldfarbe mochte Schrammen davongetragen haben, aber die stechenden blauen Augen unter der Krone aus Sonnenstrahlen starrten so anmaßend wie immer in die Welt. Ein muskulöser Arm streckte noch den gleichen Dreizack dem Horizont entgegen. Sogar von achtern wirkte der Anblick auf Bolitho vertraut.
Hyperion,
einer der Titanen, hatte die Schmach eines Lebens als Invalide abgeworfen.
    Allday beobachtete Bolitho scharf. Er hatte den nachdenklichen Blick erkannt und erriet, was er bedeutete. Der Vizeadmiral war mit seinen Gedanken wieder mal ganz woanders. Ob er mit ihm übereinstimmte oder nicht, er hing an ihm wie an keinem anderen und wäre für ihn ohne Zögern gestorben. »Die Barkasse ist bereit, Sir Richard.« Gern hätte er hinzugefügt, daß die Bootscrew noch nicht perfekt war. Noch nicht … Bolitho ging langsam zur Pforte. Das Boot lag unten längsseits.
    Jenour, sein neuer Flaggleutnant, saß schon darin, desgleichen Yovell mit einer Dokumentenmappe auf den fetten Schenkeln. Ein Fähnrich stand steif wie ein Ladestock im Heck. Bolitho vermied es, die jugendlichen Gesichtszüge zu studieren. Das war alles vorbei. Er kannte keinen auf diesem Schiff.
    Schnell blickte er in die Runde und sah, wie die Pfeifer der Ehrenwache ihre Instrumente an die feuchten Lippen hoben, sah die Seesoldaten die Gewehre präsentieren. Er sah Haven und seinen Ersten Leutnant, dazu all die anderen anonymen Gesichter, das Blau und Weiß der Offiziere, das Scharlachrot der Seesoldaten, die gebräunten Körper der Seeleute. Am liebsten hätte er ihnen gesagt: »Ich bin hier zwar Admiral, aber die
Hyperion
ist noch immer
mein
Schiff.«
    Er hörte Allday ins Boot klettern und wußte, daß er ängstlich auf ihn achtete, auch wenn er es verbarg, immer bereit zuzugreifen,
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