Die Seele heilen
und richtig zu gestalten sei, mit der Frage nach der Lebenskunst. Wichtige Voraussetzung dafür ist die Beschäftigung mit sich selbst.
Mehr als Wellness und Luxus
Gibt man den Begriff Lebenskunst bei der Internetsuchmaschine Google ein, so findet man neben einem Wikipedia-Eintrag Hinweise auf philosophische und esoterische Bücher, Sinnsprüche und praktische Tipps für den Alltag. Versucht man es mit dem lateinischen Begriff für Lebenskunst, »ars vivendi«, so ergeben die ersten Suchergebnisse eine Dessous-Marke, eine Gourmet-Zeitschrift und ein Vier-Sterne-Hotel. Man gewinnt den Eindruck, dass Lebenskunst entweder etwas schwer zu Fassendes ist oder sich auf kommerziellen Genuss reduziert. Auch wenn das, was Lebenskunst ausmacht, nicht in wenigen Worten zu erklären ist, eines ist sicher: Lebenskunst erschöpft sich nicht in Wellness und Luxus, insbesondere nicht im Zusammenhang mit Depression. Seit ich vor drei Jahren aus dem Dunkel dieser Krankheit aufgetaucht bin, heißt Lebenskunst für mich vor allem zweierlei:
mich mit meinen persönlichen Voraussetzungen anzufreunden und mich selbst mit meinen Unzulänglichkeiten zu akzeptieren,
Denk- und Verhaltensweisen abzulegen, die mich unnötig belasten, und dafür jene zu pflegen, die meine Fähigkeiten in guter Weise zur Entfaltung bringen.
Selbsterkenntnis – die Basis für ein
gesundes Leben
»Erkenne dich selbst« lautet eine Inschrift am Eingang des Apollotempels von Delphi. Ein weiser Auftrag, der hier an dieser bedeutendsten Kultstätte des alten Griechenland den zahlreichen Pilgern mitgegeben wurde. Denn ein realistisches Selbstbild ist die Grundvoraussetzung für ein gesundes Leben und die emotionale Stabilität nach einer Depression. Nur wenn wir uns selbst in unseren Fähigkeiten und Begrenzungen kennen, können wir so leben, dass wir uns weder ständig überfordern, weil wir zu viel tun, noch zu passiv werden, weil wir unsere Fähigkeiten nicht nutzen.
Der erste Schritt: Selbstwahrnehmung
Vor der Depression hatte ich meine Bedürfnisse verdrängt, jetzt lernte ich langsam, meine Gefühle mit liebevoller Achtsamkeit wahrzunehmen und mich mit meinen Fähigkeiten und Grenzen anzufreunden. Hierbei half mir meine »Methode der fünf A«:
a nschauen, a rtikulieren oder a ussprechen, a nalysieren, a nnehmen oder a kzeptieren, a npacken.
Wer war ich eigentlich?
Ich hatte mich vor der Depression als unermüdlich Schaffende definiert und glaubte, Anerkennung vor allem deshalb zu erhalten, weil ich so tatkräftig und effizient war. Und jetzt sollte gerade das mit dazu beigetragen haben, dass ich krank geworden war? Aber wenn ich nicht mehr die ruhelos tätige Sabine sein konnte, wer war ich denn dann eigentlich?
Durch die Depression erkannte ich auf schmerzliche Weise, dass ich nicht die ungeheuer belastbare, immer positiv gestimmte Powerfrau war, die ich in den letzten Jahren meiner Mitwelt und mir selbst vorgespielt hatte. Das musste ich erst einmal verdauen; aber ich sah ein, dass ich, wenn ich wieder gesund werden wollte, ein realistischeres Selbstbild entwickeln und vor allem auch danach leben musste.
Wenn mich etwas beschäftigt, ist es wichtig, die damit verbundenen Gefühle anzuschauen, das heißt, sie wahrzunehmen, ohne sie zu bewerten oder wegzudiskutieren. Das Artikulieren dessen, was in mir vorgeht, hilft mir, einen besseren Zugang zu mir zu bekommen. In der Psychotherapie habe ich geübt, meine Gefühle auszusprechen, und mittlerweile bin ich mir selbst ein ganz guter »Gesprächspartner«. Dabei ist es für mich hilfreich, meine Gedanken schriftlich festzuhalten.
Insbesondere wenn es sich um negative Gefühle handelt, ist als nächster Schritt für mich deren Analyse wichtig. Dabei geht es darum, negative Interpretationen eines Sachverhalts zu vermeiden, indem ich die negativen Folgerungen, die ich mir ausmale, entkräfte ( siehe auch [→] ). Im Schritt des Annehmens versuche ich dann, das, was in mir vorgeht, liebevoll zu akzeptieren. Das heißt nicht, mich resignierend damit abzufinden, sondern, wie eine befreundete Theologin es nennt, mich einzufinden in die Gegebenheiten. Ich brauche mir dann keine kräftezehrenden Vorwürfe zu machen, weil ich nicht so bin, wie ich gerne sein möchte. Das ist wesentlich angenehmer als die grüblerische Auseinandersetzung mit meinen Fehlern und Schwächen, die ich so gut aus der Depression kenne.
Wenn mir dieser freundschaftliche Umgang mit mir selbst gelingt, dann kann ich schließlich realistische
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