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Die Seele des Königs (German Edition)

Die Seele des Königs (German Edition)

Titel: Die Seele des Königs (German Edition)
Autoren: Brandon Sanderson
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hohen Marmorsäulen waren mit Reliefs geschmückt. Die großen Vasen zwischen den Säulen sollten Lamio-Keramik aus der tiefen Vergangenheit nachahmen.
    Die Fraktion des Erbes regiert noch immer , rief sie sich in Erinnerung, also …
    Der Kaiser stammte aus dieser Partei, genau wie der Rat der fünf Schlichter, die den größten Teil der Regierungsgeschäfte erledigten. Diese Fraktion pries den Ruhm und die Gelehrsamkeit der vergangenen Kulturen und hatte sogar ihren Flügel des Palastes im Stil eines der antiken Gebäude umgebaut. Shai vermutete, dass sich auf der Unterseite dieser » uralten« Vasen Seelenstempel befanden, die sie zu vollkommenen Imitationen berühmter Töpferwerke umgeformt hatten.
    Ja, die Erhabenen nannten Shais Gaben ein Gräuel, aber das einzig Unrechtmäßige daran war die Veränderung einer Person. Stille Fälschungen von Gegenständen waren erlaubt und wurden im Reich sogar gefördert, solange der Fälscher einer allumfassenden Kontrolle unterlag. Wenn jemand diese Vasen umdrehen und die Stempel an der Unterseite entfernen sollte, würden sie allesamt einfach zu schmuckloser Keramik werden.
    Die Greifer führten sie zu einer Tür mit Goldeinlagen. Als sie geöffnet wurde, erhaschte Shai einen Blick auf den roten Seelenstempel unten am inneren Rand, der die Tür zur Nachahmung eines Kunstwerks aus der Vergangenheit machte. Die Wachen geleiteten sie in einen heimeligen Raum mit knisterndem Kaminfeuer, dicken Teppichen und altersfleckigen Holzmöbeln. Jagdhütte, fünftes Jahrhundert , vermutete sie.
    Alle fünf Schlichter der Fraktion des Erbes warteten hier auf sie. Drei von ihnen – zwei Frauen und ein Mann – hatten auf hochlehnigen Stühlen vor dem Kamin Platz genommen, und eine weitere Frau saß an einem Schreibtisch knapp hinter der Tür. Es war Frava, die Älteste der Schlichter aus der Fraktion des Erbes und vermutlich die mächtigste Person im Reich nach dem Kaiser selbst. Ihr ergrauendes Haar war zu einem langen Zopf geflochten, in dem rote und goldene Bänder steckten und der auf eine Robe aus dazu passender Goldfarbe fiel. Shai hatte lange darüber nachgedacht, wie sie diese Frau bestehlen konnte, denn neben ihren anderen Pflichten beaufsichtigte Frava auch die kaiserliche Galerie und benutzte einige daneben liegende Verwaltungszimmer.
    Frava hatte sich offenbar gerade mit Gaotona, dem ältlichen Erhabenen gestritten, der neben dem Schreibtisch stand. Er hielt sich sehr gerade und hatte in nachdenklicher Pose die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Angeblich war er der am wenigsten einflussreiche Schlichter und stand nicht in der Gunst des Kaisers.
    Beide verstummten, als Shai eintrat. Sie betrachteten die junge Frau, als wäre sie eine Katze, die soeben eine kostbare Vase umgestoßen hatte. Shai trug ihre Brille nicht, aber sie bemühte sich, nicht zu blinzeln, als sie auf die Schlichter zutrat. Sie musste so stark wie möglich wirken.
    » Wan ShaiLu«, sagte Frava und nahm ein Blatt Papier vom Schreibtisch. » Mit deinem Namen verbindet sich eine lange Liste von Straftaten.«
    So wie du das sagst … Welches Spiel trieb diese Frau? Sie will etwas von mir , entschied Shai. Das ist der Grund, warum ich hierhergebracht wurde .
    Allmählich nahm die Gelegenheit Gestalt an.
    » Vortäuschung der Identität einer Adligen von hohem Rang«, fuhr Frava fort, » Einbruch in die kaiserliche Galerie des Palastes, Fälschung deiner Seele und natürlich der versuchte Diebstahl des Mondzepters. Hast du wirklich geglaubt, wir könnten eine einfache Fälschung nicht von dem Original dieses wichtigen kaiserlichen Besitztums unterscheiden?«
    Anscheinend könnt ihr es nicht , dachte Shai, denn genau das ist euch passiert – vorausgesetzt, der Narr konnte mit dem Original entkommen . Das Wissen darum, dass ihre Fälschung nun den Ehrenplatz des Mondzepters in der kaiserlichen Galerie eingenommen hatte, erfüllte Shai mit einem Gefühl tiefer Befriedigung.
    » Und was ist hiermit?«, fragte Frava und bedeutete einem der Greifer mit ihren langen Fingern, etwas von der Seite des Zimmers herbeizubringen. Es war ein Gemälde; der Wächter stellte es auf den Schreibtisch: Han ShuXens Meisterwerk Lilie des Frühlingsteiches .
    » Wir haben es in deinem Zimmer in der Herberge gefunden«, sagte Frava und tippte mit den Fingern gegen das Bild. » Es ist die Kopie eines Bildes, das ich selbst besitze – eines der berühmtesten im ganzen Reich. Wir haben es unseren Gutachtern vorgelegt, und sie sind
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