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Die schwarzen Juwelen 04 - Zwielicht

Titel: Die schwarzen Juwelen 04 - Zwielicht
Autoren: Anne Bishop
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Erde leicht unter Tritten erbebte. Selbst die Luft wirkte verändert.
    *So … sss … so. Meine Tochter hat es … sss … geschafft, ihre Gabe doch noch zu übermitteln.*
    Die Stimme, die in ihrem Inneren erklang, fühlte sich wie Drache an, war aber nicht wirklich Drache.
    Das Unsichtbare näherte sich ihrem Netz. Ihre Jungen zupften an den Strängen ihrer eigenen Netze und versuchten, den unsichtbaren Geist mit ihren Fäden zu fangen. Doch das Unsichtbare reagierte nicht und schien das Zerren und Flüstern in jenen Netzen gar nicht zu spüren.
    *Das … Blut … sss … singt zum Blut*, sagte das Unsichtbare
und beugte sich über das Verworrene Netz der Spinne. *Vergiss … sss … mich nicht.*
    Ein Blutstropfen fiel auf einen Knoten der verworrenen Fäden, eine glitzernde Perle der Macht.
    Die Spinne wartete, bis die unsichtbare Präsenz verschwunden war, und machte sich dann eilig daran, das dargebrachte Opfer zu verschlingen.
    Macht durchströmte sie. Eine Macht, die noch stärker und reichhaltiger war als die von Drache.
    Draca.
    Die Mutter von Drache. Die Königin von Drache.
    Vergiss mich nicht.
    An jenem Tag strich die Spinne stundenlang über die Fäden ihres Verworrenen Netzes und gedachte Drache, entsann sich, wie es sich angefühlt hatte, Draca zu spüren. Keine Gestalt wie Drache, aber dennoch ein Drache.
    Dieses Traumnetz hatte seinen Zweck erfüllt. Draca würde nicht weiter um Drache trauern, weil sie gesehen hatte, dass Drache auf die wichtigste Art und Weise immer noch auf der Welt war. Klein und golden, aber immer noch auf der Welt.
    Die Spinne durchtrennte vorsichtig die Ankerfäden und rollte das Netz genauso behutsam zu einem Kokon zusammen. Sie kletterte den Hals und die Schulter von Drache hinab, bis sie das Loch erreicht hatte, das in der Brust klaffte.
    Vielleicht war es so beim Volk von Drache, oder vielleicht handelte es sich um einen letzten Rest Magie, der das Fleisch von Drache in porösen, von harten Steinschuppen bedeckten Fels verwandelt hatte. Im Inneren von Drache befanden sich etliche Kammern, in denen sie die erste Form eines Netzes spinnen konnte, um dann zu lauschen, ruhig und geschützt, während die stärksten Herzensträume über sie hinwegglitten und ihr zeigten, wie sie ihr Netz zu erschaffen hatte.
    Eines Tages würden sie und ihre Nachkommen die lange Reise zu den Höhlen antreten, in denen die goldenen Spinnen die Netze von zu Fleisch gewordenen Träumen bewachen würden. Doch noch war es nicht so weit.

    Sie schlüpfte durch die Öffnung, die in eine kleine Kammer führte, und zog den Kokon mit sich.
    Der Körper von Drache bestand mittlerweile aus hohlem Gestein, doch das Herz war im Gegensatz zu den anderen Organen nicht verwest. Es hatte sich in glatten Stein verwandelt. Jedes Mal, wenn die Spinne diese Kammer betrat und mit einem Bein über den Stein strich, wurde die Kammer ganz warm, und sie konnte die Freude von Drache darüber spüren, dass die Gabe der Weberin nicht verloren gegangen war.
    Eines Tages würde sie diese Wärme nicht mehr spüren, und der Stein wäre dann tatsächlich nur noch Stein. An dem Tag würde sie fortgehen. Doch jeglicher Hauch an Herzenserinnerung, der vielleicht noch bliebe, würde auch dann nicht alleine sein.
    Bevor sie die Kammer verließ, spann sie etwas Seide und verknüpfte den Kokon von Dracas Traum mit dem steinernen Herzen von Drache.

Der Prinz von Ebon Rih
    Einst, nach den Geschehnissen in Dämmerung …

1
    Lucivar Yaslana stand am äußeren Ende des mit Steinplatten gefliesten Hofes seines neuen Zuhauses und genoss die frühe Morgensonne, die begonnen hatte, die Fliesen unter seinen Füßen zu erwärmen. Die Bergluft war kalt auf der bloßen Haut, und der frische Kaffee, den er aus einer einfachen wei ßen Tasse schlürfte, schmeckte so bitter, dass sich alles in seinem Inneren zusammenzog. Der Kaffee mochte nicht die gleiche würzige Milde aufweisen wie der Kaffee, den Mrs. Beale für den Tisch seines Vaters kochte, aber er war nicht schlechter als der Kaffee, den Lucivar braute, wenn er auf die Jagd ging und eine Nacht im Freien verbrachte. Schlechter konnte das Gesöff auch nicht sein, denn er hatte es auf dieselbe Art und Weise zubereitet.
    Er warf einen Blick über die Schulter zu der offenen Tür, die in das Labyrinth aus Zimmern führte, aus denen sein Horst bestand. Manche der Räume waren in den lebenden Fels gehauen worden, andere hatte man aus den Steinbrocken errichtet, die man auf diese Weise erhalten
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